Vier Lyriker:innen lesen aus ihren aktuellen Gedichtbänden. Schauspieler:innen tragen die deutschen Übersetzungen vor, jeweils gefolgt von einem kurzen Gespräch mit der Kuratorin und Moderatorin des Abends: Karolina Golimowska.
Semjon Hanin ist Gründungsmitglied von Orbita, eines Kollektivs russischsprachiger Dichter und Künstler aus Lettland, das mit unkonventionellen, auch multimedialen, Lyrik-Formaten experimentiert. In seinem Gedichtband »aber nicht damit« [dt. Ü: Anja Utler] konfrontiert er Absurditäten und Feinheiten eines manchmal surrealen und grotesken Alltags pointiert mit großen Themen wie Freiheit, Betrug oder Loyalität. Dies spiegelt sich auch auf der Ebene der Sprache, die spielerisch mit Alliterationen und Assoziationen umgeht und mit Leichtigkeit Register miteinander vermischt.
In »Mutantengarten« blickt Volha Hapeyeva aus dezidiert weiblicher Perspektive auf Politik und Geschichte. Sie übersetzt Briefe gefallener Soldaten und fasst den Körper sinnlich »als Medium zwischenmenschlicher Beziehungen, die sie mit herber Präzision seziert.« [NZZ] Hapeyeva, die inzwischen im deutschen Exil lebt, schreibt über die vielen Deutungen von Heimat und über Sprache, die durch Poesie vor allem in Krisenzeiten Menschen Empathie lehren kann. »der mund ist eine art linguistischer schuh / unter den tagtäglich tausende wörter geraten / so steigst du hinauf – immerzu / bezwingst den berg der sprache.«
In den aktuellen Gedichten des litauischen Dichters Eugenijus Ališanka werden Gegenstände zu Zeugen der menschlichen Vergänglichkeit, unberührt von den Alltagsängsten und Unsicherheiten um die Weltordnung. Das Gedicht wird zum ständigen Begleiter, zur Lebensform, zur Möglichkeit, in schwierigsten Momenten nicht zu schweigen, eigene Stimme, den Sinn für Ironie und vor allem aber die Distanz zu sich selbst nicht zu verlieren.
Moderation: Karolina Golimowska
Sprecher:innen: Alexandra Gottschlich, Toni Jessen
Eine Kooperation mit dem Exzellenzcluster »Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspective« der Freien Universität Berlin