Asli Erdoğan
- Türkei
- Zu Gast beim ilb: 2007
Asli Erdoğan wurde 1967 in Istanbul geboren. Aus der säkularen Mittelschicht stammend, besuchte sie die englischsprachige Schule Robert Lisesi und studierte an der Istanbuler Bosphorus University Informatik. Anschließend arbeitete sie am Fachbereich für Physik ihrer Universität und an der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN in Genf, wo sie ihre Magisterarbeit erstellte und parallel dazu ihren ersten Roman schrieb. »Kabuk Adam« (Ü: Der Muschelmann) erschien 1994, als Erdoğan an der Universität von Rio de Janeiro ihre Dissertation vorbereitete. Doch anstatt ihre akademischen Studien abzuschließen, beendete sie nur die Erzählung »Mucizevi Mandarin« (1996; Ü: Der wundervolle Mandarin), die erschien, nachdem sie von Reisen nach Südamerika und Afrika wieder in die Türkei zurückgekehrt war. Seither ist Erdoğan freie Schriftstellerin.
Mit den Stilmitteln der Postmoderne und aus Traditionen der Weltliteratur schöpfend erkundet sie mit undogmatischem Blick sowohl ihre türkische Herkunft als auch die Fremde. Vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt werden so das Spannungsfeld von Freiheit und Einsamkeit ausgelotet und die Nachbarschaft von Wirklichkeit und Wahn eruiert. Als Maßstab der Orientierung dienen der Menschenrechtsaktivistin Erdoğan insbesondere die Erscheinungsformen von Leid und Ungerechtigkeit, denen sie immer wieder nachspürt. »Mucizevi Mandarin« erzählt von einer jungen Frau, die auf einem Auge erblindet, nachdem ihr Liebhaber sie verlassen hat, und am Genfer See in Melancholie und eine Traumwelt nächtlicher Spaziergänge und Cafébesuche eintaucht. Die Kurzgeschichte »Tahta kuşlar« (dt. »Holzvögel«), die 1996 den Preis der Deutschen Welle gewann, schildert eine multinationale Gruppe ganz unterschiedlicher junger Frauen und den ihnen allen gemeinsamen, rührenden Hunger nach Teilhabe am Leben. Erdoğans Roman »Kırmızı Pelerinli Kent« (1998; Ü: Die Stadt mit der roten Pelerine) wurde in zwölf S pr achen übersetzt und erscheint 2008 auch auf Deutsch. Er schildert Rio de Janeiro – aus der Sicht einer jungen Türkin am Rande des Ich-Verlusts – als so vitale wie brutale, erbarmungslose Metropole. Der letzte Roman der Autorin, »Hayatın Sessizliğinde« (2005; Ü: In der Stille des Lebens), wurde als Tanzstück adaptiert und vom Dünya-Verlag zum Buch des Jahres gekürt.
Erdoğan ist Mitglied des PEN und der türkischen Schriftstellervereinigung sowie Gründungsmitglied des Kunst- und Literaturforums von Diyarbakır, wo sie regelmäßig Workshops, Seminare und Vorlesungen abhält. Sie schreibt für verschiedene Zeitungen und war von 1998 bis 2000 Verfasserin einer Kolumne in der türkischen Zeitung »Radikal«. Eine Auswahl ihrer Artikel und Kommentare, die sich meist mit Menschenrechtsfragen auseinandersetzen, erschien in bislang zwei Bänden. Nach der Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink, mit dem sie befreundet war, zog sich Erdoğan aufgrund ihrer öffentlichen Stellungnahmen zum wiederholten Male den Zorn von Nationalisten zu. Die Autorin lebt in Istanbul.
© internationales literaturfestival berlin
Kabuk Adam
Mitos
Istanbul, 1994
Mucizevi Mandarin
Mitos
Istanbul, 1997
Holzvögel
[Hg: Mehmet Bari]
Önel
Köln, 1998
Kırmızı Pelerinli Kent
Adam
Istanbul, 1998
Bir yolculuk ne zaman biter: deneme
Can
İstanbul, 2000
Absürd öyküler
Okuyan Us Yayın
İstanbul, 2003
Hayatın Sessizliğinde
Merkez Kitapcilik
Istanbul, 2005
Bir delinin güncesi
Everest
İstanbul, 2006
Übersetzer: Angelika Gillitz-Acar, Angelika Hoch