Das internationale literaturfestival berlin (ilb) ruft Kulturinstitutionen, Schulen, Radiostationen und interessierte Personen zu einer weltweiten Lesung von Gedichten und Prosa des chinesischen Autors Liao Yiwu am 4. Juni 2010 auf. An diesem Tag jährt sich das Massaker am Tian’anmen-Platz in Beijing im Jahr 1989, bei dem nach Angaben des Roten Kreuzes ca. 2.600 Menschen den Tod fanden.
AUFRUF
Aufruf zu einer weltweiten Lesung für Liao Yiwu und in Erinnerung an das Massaker am Tian’anmen-Platz am 4. Juni 2010 Das internationale literaturfestival berlin (ilb) ruft Kulturinstitutionen, Schulen, Radiostationen und interessierte Personen zu einer weltweiten Lesung von Gedichten und Prosa des chinesischen Autors Liao Yiwu am 4. Juni 2010 auf. An diesem Tag jährt sich das Massaker am Tian’anmen-Platz in Beijing im Jahr 1989, bei dem nach Angaben des Roten Kreuzes ca. 2.600 Menschen den Tod fanden. Über das Ereignis selbst, dem eine Demokratiebewegung vorausging, wird in den offiziellen Medien in China nichts publiziert, die Zensur wurde noch am 20. Jahrestag des Geschehens bis in die Web-2.0-Internetplattformen hinein enorm verschärft. Das verordnete Schweigen in China, das auch die Phase der Kulturrevolution betrifft, die enorm hohe Zahl von Todesurteilen in diesem Land und der Umgang mit Tibet müssen von den zivilgesellschaftlichen Instanzen demokratischer Gesellschaften umso deutlicher kommuniziert werden. Am 4. Juni sollen deshalb folgende Werke Liao Yiwus gelesen werden: Für einen zum Tode Verurteilten; Zum Tode Verurteilte sprechen über ihre Hinrichtung; Für ein Lied und hundert Lieder; Das Vaterland der Gefangenen; Vor Gericht; Die Totenrufer; Der Trauermusiker; Die Familie eines Opfers des 4. Juni; Der Klomanager; Der vierte Juni. Liao Yiwu ist einer der Autoren, die in China trotz internationaler Erfolge nicht publiziert werden, weil sie in den Augen der Machthaber die »Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda mit ausländischer Hilfe« ausüben. Selbst sein Name darf nicht genannt werden. Von 1990 bis 1994 war er aufgrund seiner literarischen und gesellschaftspolitischen Aktivitäten im Gefängnis und wurde nur aufgrund internationalen Drucks vorzeitig aus der Haft entlassen. Seine Interviews mit Underdogs (Interviews with People from the Bottom Rung of Society) und seine Gedichte (wie Massacre und die Anthologie The Fall of the Holy Temple) sind in den vergangenen Jahren im Ausland publiziert worden, u. a. in renommierten Verlagen und Zeitschriften wie Lettre International (Deutsche Ausgabe) und der New Yorker Zeitschrift The Paris Review. Die chinesischen Behörden ließen Liao Yiwu, obwohl er inzwischen einen Reisepass besitzt, weder zur Frankfurter Buchmesse im Oktober 2009 noch zur lit.cologne ausreisen. Das ilb sowie das Harbour Front Literaturfestival in Hamburg haben ihn nun für die Festivals im September eingeladen. Wir können nur hoffen, dass die chinesischen Behörden ihm das fundamentale Recht zur Ausreise und die Wiedereinreise nach China gewähren werden. Ziel der weltweiten Lesung soll sein, das Werk des Autors Liao Yiwu einer breiteren Leserschaft bekannt zu machen, an das Massaker von 1989 zu erinnern und China im Blick auf die Menschenrechte dringend zu mahnen. Aus Anlass des dritten Jahrestages des Kriegsbeginns im Irak hatten das internationale literaturfestival berlin und die Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik am 20. März 2006, dem Jahrestag der politischen Lüge, erstmals zu einer weltweiten Lesung von Eliot Weinbergers What I Heard about Iraq aufgerufen. Es folgten weltweite Lesungen nach der Ermordung Anna Politkowskajas, im Vorfeld der Olympischen Spiele in China, gegen die Regierungsführung Robert Mugabes, in Gedenken an Mahmud Darwisch und zur Unterstützung der demokratischen Opposition im Iran. Bis zu hundert Institutionen, darunter auch Radio- und Fernsehsender, beteiligten sich an den weltweiten Lesungen auf allen Kontinenten oder berichteten. Die zur weltweiten Lesung bestimmten Texte liegen in Englisch (Liao Yiwu, The Corpse Walker: Real-Life Stories, China from the Bottom Up, übersetzt von Wen Huang, Pantheon Books, New York 2008) und Deutsch (Liao Yiwu, Fräulein Hallo und der Bauernkaiser – Chinas Gesellschaft von unten, übersetzt von Hans Peter Hoffmann und Brigitte Höhenrieder, Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2009) vor. Institutionen und Personen, die sich mit einer Lesung am 4. Juni beteiligen möchten, werden gebeten, uns zu informieren.
UNTERZEICHNER*INNEN
Héctor Abad (Columbia) | Martin Amanshauser (Austria) | Yuri Andrukhovych (Ucraine) | Shauna Singh Baldwin (Canada/ USA) | Russell Banks (USA) | Mohammed Bennis (Marocco) Hans Christoph Buch (Germany) | Judith Butler (USA) | Viktor Canosinaj (Albania) | Daniella Carmi (Israel) | Giovanni Celati (Italy) | Vikram Chandra (India) | Noam Chomsky (USA) | John M. Coetzee (South Africa) | Achmat Dangor (South Africa) | Ariel Dorfman (Chile) | Ferida Durakovic (Bosnia-Herzegovina) | Sezer Duru (Turkey) | Péter Esterházy (Ungarn) | Nuruddin Farah (Somalia) | Lilian Faschinger (Austria) | Julia Franck (Germany) | Wolfram Frommlet (Germany) | William H. Gass (USA) | Assaf Gavron (Israel) | Jochen Gerz (Germany) | Nadine Gordimer (South Africa) | Georgi Gospodinov (Bulgaria) | Dieter M. Gräf (Germany) | David Grossman (Israel) | Ulla Hahn (Germany) | Chenjerai Hove (Zimbabwe) | Ha Jin (USA/ China) | Stanchina Kanta Tanlukdar (Germany/ India) | Ursula Krecher (Germany) | Norbert Kron (Germany) | Goretti Kyomuhendo (Uganda) | Michael Lentz (Germany) | Chiara Macconi (Italy) | Jamal Mahjoub (UK) | Cosmin Manolache (Romania) | Javier Mariás (Spain) | Émile Martel (Kanada) | Manfred Maurenbrecher (Germany) | Robert Menasse (Germany) | Amanda Michalopoulou (Greece) | Péter Nádas (Hungary) | Desiderio Navarro (Cuba) | Christiane Neudecker (Germany) | Nuala Ni Dhomhnaill (Ireland) | Thorsten Palzhoff (Germany) | Kornelijus Platelis (Lithuania) | Francine Prose (USA) | Holly-Jane Rahlens (Germany) | Mani Rao (India) | Moritz Rinke (Germany) | Patrick Roth (Germany) | Alberto Rúy-Sanchez (Mexico) | Almantas Samalavicius (Lithuania) | Sapphire (USA) | Alka Saraogi (India) | Lorenz Schröter (Germany) | Lutz Seiler (Germany) | Jorge Semprún (Spain) | Eduardo Sguiglia (Argentina) | Nicholas Shakespeare (UK) | Tzveta Sofronieva (Bulgary/ Germany) | Wolfgang Sofsky (Germany) | Rebecca Solnit (USA) | Peter Stamm (Switzerland) | Ilija Trojanow (Germany/ Bulgaria) | Jane Urquhart (Canada) | Mario Vargas Llosa (Peru) | Abdourahman A. Waberi (Dschibuti/ France) | Richard Wagner (Germany) | Cécile Wajsbrot (France) | Michael Warschawski (France) | Ruben Wickenhäuser (Germany) | Herbert Wiesner (Germany) | Stefan Ludmilla Wieszner (Germany)
LESETEXTE
TEILNEHMER*INNEN
Babenhausen (Café Fahrenschon) | Bad Ischl (Freies Radio Salzkammergut) | Berlin (internationales literaturfestival berlin, Café Brel) | Berlin (Berlin International School) | Berlin (Gottfried-Keller-Gymnasium) | Berlin (Haus der Demokratie und Menschenrechte) | Berlin (Privater Literaturkreis) | Berlin (Open-Air Alexanderplatz) | Bremen (Internationales Literaturfestival Bremen) | Erfurt (Künstler- und Atelierhaus) |Frankfurt/Main (Internationales Lesefest am Main / Zuflucht: Literatur!, Literaturhaus) | Freiburg (Theater Freiburg) | Glasgow (Glasgow University / PEN) | Hamburg (Harbour Front Literaturfestival / Literaturhaus Hamburg / Hamburger Abendblatt / Macht e. V. / Thalia Theater / Kampnagel / Initiative „Komm in die Gänge“) | Hannover (Staatstheater Hannover) | Hong Kong (June 4th Annual Memorial / Candlelight Vigil) | Ibadan (The Rendezvous) | Istanbul (Açikradyo 94.9 (Open Radio 94.9)) | Köln (Böll Haus) | Kuala Lumpur (Campus of the University of Tunku Abdul Rahman) | Lagos (Lagos State University (LASU)) | Lübeck (Offener Kanal Lübeck / Amnesty International) | Paris (Annual commemoration of June 4) | Paris (Centre d’accueil de la presse étrangère (CAPE)) | Prag (Deutsch-Tschechischer Zukunftsfond) | Schaan (Liechtensteiner Literaturtage) | Warwick (PoetsWest) | Zürich (Theater am Neumarkt)
Liao Yiwus Aufnahme seiner Gedichte Massaker und Elegie 89 wurde vor 150.000 Teilnehmern abgespielt.
DOKUMENTATION
Berichte der Lesungen finden Sie hier.