Kjell Askildsen
- Norwegen
- Zu Gast beim ilb: 2009
Kjell Askildsen wurde 1929 im südnorwegischen Mandal, 45 km westlich von Kristiansand, geboren. Mit 24 Jahren veröffentlichte er die Kurzgeschichtensammlung »Heretter følger jeg deg helt hjem« (1953; Ü: Von nun an begleite ich dich nach Hause), die wegen der Behandlung von Tabuthemen der damaligen Zeit sehr kontrovers aufgenommen wurde. Die Osloer Presse war begeistert, aber Bibliotheken verweigerten die Aufnahme des Buchs in ihre Bestände. Askildsens Vater, ein Kirchenmann und Regionalpolitiker in Mandal, verbrannte es in aller Öffentlichkeit. Dadurch ließ sich Askildsen jedoch nicht von dem Wunsch abbringen, Schriftsteller zu werden.
Nach seinem Debüt verfasste er zunächst mehrere Romane. Meist nimmt er in diesen die Perspektive eines Ich-Erzählers ein, der in einem existenzialistisch angehauchten Monolog – ganz in der Tradition von Albert Camus’ »Der Fremde« oder Jean-Paul Sartres »Der Ekel« – lakonisch seinen Alltag Revue passieren lässt. Insbesondere der karge Sprachstil in kurzen, fast abgehackten Sätzen, der vieles eher indirekt erahnen lässt, als es direkt auszusprechen, wird im Laufe der Jahre immer mehr zum Markenzeichen des Autors. In insgesamt sechs Romanen perfektionierte er diese Technik.
Ab 1982 wandte er dem Roman dann den Rücken zu, alle weiteren von ihm erschienenen Bücher sind Sammelbände von Kurzgeschichten. Mit diesen gelang Askildsen der Durchbruch als Schriftsteller. Heute zählt er zu den erfolgreichsten modernen Autoren Norwegens und gilt als Skandinaviens Meister der Kurzgeschichte. Bereits für seinen Band »F’s siste nedtegnelser til almenheten« (1983; Ü: F.s letzte Nachrichten an die Öffentlichkeit) wurde er mit dem norwegischen Kritikerpreis ausgezeichnet. Eine Jury der Zeitung »Dagbladet« erklärte das Buch 2006 sogar zum besten in Norwegen geschriebenen Prosaband der letzten 25 Jahre. Auch seine danach erschienenen Sammelbände wurden hoch gelobt und häufig mit Preisen geehrt.
Zuletzt veröffentlichte er das Buch »Alt som for« (2005; dt. »Ein schöner Ort«, 2009) mit Kurzgeschichten, die zwischen 1966 und 1999 entstanden. Die Protagonisten in dieser Sammlung sind fast ausnahmslos Misanthropen, was sich in bedrückenden Dialogen und einer kühlen Atmosphäre niederschlägt. Dabei geht es inhaltlich immer um Existenzielles − nach harmlosen Anfängen tun sich ungeahnte Abgründe auf. In Askildsens minimalistischen Sätzen und seiner sehr klaren Sprache wird der Leser dennoch nicht verzweifelt zurückgelassen, dazu blitzt in der vielschichtigen Komposition der Einzelerzählungen zu sehr die Ironie hervor. »The Times Literary Supplement« zieht hier eine Verbindung zu einem anderen großen Literaten: »Askildsens trockener, absurder Humor ähnelt dem Becketts […], seine Kurzgeschichten strotzen vor Ironie, seine Dialoge sind scharf und eindringlich.«
Er wurde u. a. mit dem Brage-Ehrenpreis und 2009 mit dem Nordiska pris der Schwedischen Akademie ausgezeichnet. Askildsen lebt und arbeitet in Norwegen.
Peter Deisinger
© internationales literaturfestival berlin
Heretter følger jeg
deg helt hjem
Aschehoug
Oslo, 1953
Eine Chance für Johan
Verlag Neues Leben
Berlin, 1980
[Ü: Udo Birkholz]
Eine weite, leere Landschaft:
Erzählungen
Butt
Kiel, 1991
[Ü: Alken Bruns und
Wolfgang Butt]
Ein schöner Ort
Luchterhand
München, 2009
[Ü: Hinrich Schmidt-Henkel]