18.000 Gäste erlebten Größen und neue Stimmen der Weltliteratur
Post-Festival Event am 14. November 2023 mit Didier Eribon, Édouard Louis und Geoffroy de Lagasnerie
Am Samstag, den 16. September ging das 23. internationale literaturfestival berlin (ilb) zu Ende. Rund 18.000 Gäste besuchten die 150 Veranstaltungen mit rund 150 Autorinnen und Autoren aus über 40 Ländern weltweit. Mit Lesungen, Diskussionen, Workshops und Vorträgen teilte das Festival elf Tage lang die Begeisterung für Literatur und das unmittelbare Erleben von Autor:innen und ihren Büchern mit dem Publikum. Zu den Höhepunkten
des Programms zählten unter anderem die Auftritte von Salman Rushdie, Francesca Melandri, Werner Herzog, Moshtari Hilal, Jeffrey Eugenides, Bénédicte Savoy, Shehan Karunatilaka, Navid Kermani, Homeira Qaderi, Maxim Biller, Lana Bastašić und im Jungen Programm von Laurie Halse Anderson, Sabaa Tahir und Jordan Scott.
Erstmals stand das ilb dieses Jahr unter der Schirmherrschaft von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Ihr Auftritt bei der Eröffnung und das Grußwort des Berliner Kultursenators Joe Chialo waren ein starkes Signal und ein klares Bekenntnis für das Festival und die neue Leitung. Hauptveranstaltungsort war das Haus der Berliner Festspiele, darüber hinaus verteilte sich das 23. ilb auf acht weitere Spielstätten.
»Unsere Strategie der Verdichtung und Fokussierung ist aufgegangen. Das Programm war inhaltlich stark und vielfältig und mit einer gelungenen Kommunikation konnten wir die Auslastung des Festivals mit über 70% gegenüber dem Vorjahr deutlich steigern. Für die Zukunft wünschen wir uns eine noch stärkere Vernetzung das ganze Jahr hindurch mit der internationalen Szene in Berlin, die sich dann im Festival niederschlägt. Darüber hinaus planen wir, internationale Gäste in die Kuration einzubinden, damit die Vielstimmigkeit von Grund auf gewährleistet ist«
Lavinia Frey, Leiterin des ilb
Das Programm der zweiten Festivalwoche im Haus der Berliner Festspiele trug ganz die Handschrift der neuen Leitung. Insbesondere der Programmleiterin Simone Schröder und dem Team ist es neben einem großen Publikumserfolg auch gelungen, einen Ausblick auf die kommenden Jahre zu geben. Mit neuen Formaten und der Anknüpfung an aktuelle Debatten erreichte das 23. ilb ein vielfältiges Publikum in allen Generationen. Die Konzentration auf eine Spielstätte mit mehreren Bühnen, einem Festival-Hub und einer Library intensivierte den Austausch untereinander und kam beim Publikum und den Autor:innen sehr gut an. Ebenso wurden die kostenlosen Book-Talks und die Paperback-Party begeistert aufgenommen.
Zur Atmosphäre und Brillanz trugen auch die lesenden Schauspieler:innen wie Ulrich Matthes, Benito Bause, Franz Dinda, Eva Mattes und Komi Togbonou bei, ebenso wie die zahlreichen herausragenden Moderator:innen.
Zu den Höhepunkten des Festivals zählte die Premiere von Moshtari Hilals Buch »Hässlichkeit« im Rahmen des Specials »Words of Love and Hate«. Im ausverkauften Großen Saal erlebten knapp 1.000 Besucher:innen eine Leseperformance der Autorin und Künstlerin Hilal zusammen mit der Schauspielerin Susana AbdulMajid. Ebenso begeisterten die Lesungen und Gespräche mit Salman Rushdie und dem großen Grenzgänger zwischen Film und Literatur Werner Herzog. Einen besonderen Genuss erlebte das Publikum bei Jeffrey Eugenides: Der Autor las erstmals öffentlich aus seinem neuen, noch unveröffentlichten Roman. Großen Anklang fand auch das Special »Echo. Echo: Magische Echos« mit Bora Chung, Shehan Karunatilaka und Ibtisam Azem, das die Besucher:innen in die Welt des
»New Magical Realism« mitnahm. Gesellschaftspolitische Panels zur feministischen Revolution im Iran, zur Gefährdung von Demokratien oder zur Situation der Frauen in Afghanistan mit
Homeira Qaderi unterstrichen den gesellschaftspolitischen Anspruch des ilb.
Im vertrauensvollen und transparenten Austausch hat das Team des ilb auch Herausforderungen gemeistert. Nachdem Vorwürfe gegen den Mitherausgeber der Anthologie »OH BOY. Männlichkeit*en heute« bekannt wurden, hat sich das Festival entschieden, die geplante Veranstaltung kurzfristig abzusagen und stattdessen auf dem Panel »Oh Boy, are you serious?« Aktivist:innen, Autor:innen und dem Publikum eine Stimme zu geben, die das Thema respektvoll aufgriffen. Für diesen progressiven Umgang mit der Thematik erhielt das ilb großen Zuspruch von den Besucher:innen. Der Livestream wurde bereits über 1.000 Mal angeklickt, Tendenz steigend.
Die Sektion Internationale Kinder- und Jugendliteratur konnte 2023 erstmals die Kulturstiftung der Länder als Hauptförderer gewinnen. Das junge Programm präsentierte vielstimmige Autor:innen und Illustrator:innen wie Manjeet Mann, die die diesjährige Eröffnungsrede hielt, Li Xiaoguang, der mit Live-Linolschnitten begeisterte, Jordan Scott, der das jüngste Publikum mit Bilderbuchkino bannte, Sabaa Tahir und Laurie Halse Anderson, die mit Oberstufenschüler:innen das Thema sexualisierte Gewalt beleuchtete.
Zudem präsentierten sechs preisgekrönte Nachwuchsautor:innen ihre Texte vor einem meist gleichaltrigen jungen Publikum auf der Bühne. Insgesamt erlebten über 6.600 größtenteils junge Besucher:innen ein abwechslungsreiches Programm aus rund 25 Lesungen, 20 Workshops und 5 Specials.
Zu den Höhepunkten des 13. Graphic Novel Day zählten am letzten Festivaltag neben der Pop-Up Comic-Buchmesse Artist Alley die Lesungen mit der US-amerikanischen Cartoonistin Liana Finck und Zhenya Oliinyk bei der Präsentation von Moga Mobo: Ukraine.
Ausblick
Neben der Internationalität strebt Lavinia Frey eine umfassend gedachte Nachhaltigkeit des Festivals an. Internationale Gäste sollen zukünftig für einen längeren Zeitraum nach Berlin eingeladen werden, um den Austausch untereinander und mit den Kolleg:innen in Berlin
zu stärken. So konnten schon in diesem Jahr einige Autor:innen zu mehrfachen Auftritten während des Festivals begrüßt werden.
Die Ausgestaltung der Zukunftspläne für das ilb wird in den nächsten Wochen gemeinsam mit dem Vorstand des Trägervereins besprochen und angegangen.
»Die Zukunft des ilb über 2025 hinaus wird das Team gemeinsam mit der Leitung und dem Trägerverein Peter-Weiss-Siftung für Kunst und Politik e.V. erarbeiten. Ziel ist die Eigenständigkeit des Formats. Der Erfolg des diesjährigen ilb in der neuen Konstellation ist dafür eine glänzende Empfehlung«, zeigen sich Barbara Wahlster und Johannes Kister, Vorstand des Trägervereins Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e.V., überzeugt.