Wir stellen die Autor:innen des 22. ilb vor – mit Fragen über das Schreiben, Lesen und Nichtzuendelesen. Hier verrät Domenico Müllensiefen, welches Standardwerk der deutschen Literatur ihn zum Einschlafen bringt.
Zeit für ein kleines Geständnis: Welchen großen Klassiker haben Sie angefangen… aber nicht zu
Ende gelesen?
Thomas Mann – der Zauberberg. Perfekte Lektüre, um einzuschlafen. Eine Szene ist mir in Erinnerung geblieben. Im Sanatorium stirbt jemand, schreit dabei und der Arzt sagt: »Stellen Sie sich nicht so an.« Großartig.
Die ewige Frage: Hardcover oder Taschenbuch?
Wenn Taschenbuch, dann das lustige Taschenbuch. In den Jahren 1999 und 2000 war das Rückenmotiv genial. Donald Duck zündet 1999 eine Rakete an. Und im Dezember denkt man, dass es das war. Aber dann bekommt man im Jahr 2000 alle wichtigen Protagonist:innen in einem großen Feuerwerk zu sehen. Tick, Trick und Track bilden die Nullen der 2000. Phänomenal! 24 Monate Sammelspaß und großartige Geschichten. Ansonsten gerne Hardcover.
Wenn ein unveröffentlichtes Buch eines Autors oder einer Autorin entdeckt werden würde, über wen würden Sie sich am meisten freuen?
Fallada. Meiner Meinung nach der wichtigste Erzähler der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts.
Die zentrale Frage: Lesezeichen oder Eselsohren?
Lesezeichen. Aber ein Buch darf sehr gerne abgegriffen sein.
Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch?
Da liegt viel. Das Fundament bildet »Der Zauberberg«, der liegt da schon sehr lange. Weiter oben, aber alle noch nicht aufgegeben: »Schande« von Coetzee, »Der Feldhüter« von McCarthy, »Lilly und ihr Sklave« von Fallada und ganz oben, wird auch gerade gelesen: »Komplett Gänsehaut« von Sophie Passmann.
Was ist Ihr Lieblingsbuchladen?
Der Wörtersee in Leipzig natürlich. Und nicht weniger mag ich: Die Buchhandlung Südvorstadt, den Leipziger Hugendubel und überhaupt alle Buchhandlungen, in denen Menschen arbeiten, die Literatur lieben. Das kann eine Kette sein, das kann ein kleines, inhabergeführtes Geschäft sein.
Wer war bisher Ihre Neuentdeckung des Jahres?
Annika Büsing. Ihr Roman »Nordstadt« hat mich stark ergriffen. Annika Büsing hat eine zarte und gleichzeitig treffende Sprache für ein Liebespaar gefunden, ohne dabei kitschig zu werden. Überhaupt hat sie ein unglaubliches Gespür für Charaktere, deren Wünsche und Ängste. Sie schafft es die Figuren zum Leben zu erwecken. Und dann, wenn man das Glück hat einer ihrer Lesungen beizuwohnen, liest sie ihr Buch wirklich schön und gefühlvoll vor. Ich freue mich sehr auf ihr nächstes Buch.
Wenn Sie für den Rest Ihres Lebens nur noch ein einziges Buch lesen dürften, welches wäre es?
»Buddenbrooks« von Thomas Mann. Das beste Buch, das ich bisher gelesen habe.
An welchem Ort schreiben Sie am liebsten?
Momentan im ICE. Weil ich mich dort tatsächlich komplett auf meine Texte konzentrieren kann. Und weil es momentan die einzigen Momente sind, wo ich überhaupt dazu komme.
Lesen Sie Ihre eigenen Bücher, nachdem sie veröffentlicht wurden?
Ich habe ja nur eins bisher, aber ja. Manchmal sitze ich in meinem Wohnzimmer und lese in meinem Buch. Und dann staune ich darüber, dass ich ein Buch geschrieben habe, das ich wirklich sehr gerne lese.
Wir freuen uns, Domenico Müllensiefen am 17. September auf dem internationalen literaturfestival berlin begrüßen zu dürfen. In seinem Debütroman »Aus unseren Feuern« erzählt er von drei Freunden aus dem Arbeitermilieu, die sich in der schwierigen Nachwendezeit einen Platz in der Gesellschaft erkämpfen. Alle weiteren Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier.