Zsófia Bán
Zsófia Bán wurde 1957 in Rio de Janeiro, Brasilien, geboren und kehrte 1969 mit ihren Eltern in deren Heimatland Ungarn zurück. Nach ihrem Studium der Anglistik und Romanistik von 1976 bis 1981 in Budapest, später in Lissabon, Minneapolis und New Brunswick, kuratierte sie Ausstellungen, war als Promotionsstipendiatin an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest und am Berliner John-F.-Kennedy-Institut tätig. Zurzeit lehrt sie Amerikanistik als außerordentliche Professorin an der Eötvös-Loránd-Universität, die als eine der ältesten Hochschulen Ungarns gilt. Neben amerikanischer Literatur des 19., 20. und 21. Jahrhunderts zählen die Visuelle Kultur, Holocaust- und Gender-Studien zu ihren Forschungsgebieten. Bekannt wurde Bán dabei durch Aufsätze über Schriftsteller wie Winfried Georg Sebald, Susan Sontag und Péter Nádas.Ihr literarisches Debüt feiert sie 2007 mit »Esti iskola – Olvasókönyv felnőtteknek« (dt. »Abendschule – Eine Fibel für Erwachsene«, 2012), einer Sammlung kurzer Texte, die bei aller Verschiedenheit ihrer Perspektiven und der poetischen Traditionen, auf die sie sich beziehen, doch durch einen sie durchziehenden Sinn für Humor eine Einheit bilden. So wird die Form eines Lehrbuchs für eine Abendschule, in dem jedem Text ein Schulfach wie Geografie oder Chemie zugeordnet ist, ironisch durch Aufgaben am Ende jedes Kapitels gebrochen, welche die didaktische Funktion von Literatur ad absurdum führen, wie etwa durch die Aufforderung, bei einem zu schreibenden Essay zum Thema »Mein Bruder, der traurige Schupo« möglichst objektiv zu bleiben. Báns hintergründiges Ziel besteht darin, die Leerstellen von Geschichte aufzuzeigen und wie diese aus der Perspektive der Unterdrückten umgeschrieben werden kann. Dabei unternimmt die Autorin nicht nur einen Streifzug durch die ungarische Sprache und Kultur, sondern lässt auch andere Sprachen und Kulturen einfließen, u. a. die ihres Geburtslandes Brasilien. 2012 erschien der Erzählband »Amikor még csak az állatok éltek« (dt. »Als nur die Tiere lebten«, 2014). In fünfzehn Geschichten dekliniert Bán die Folgen einer traumatischen Entwurzelung an der Figur Anna durch, die als kleines Mädchen am Strand von Rio de Janeiro in einer Menschenmenge ihre Mutter aus den Augen verliert und noch Jahrzehnte später in einer Versuchsstation in der Antarktis unbewusst nach Antworten zu ihrer Vergangenheit sucht, als sie das Naturereignis des »White-out«, eines alles verschluckenden Weiß, fotografiert.Bán wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Balassa-Péter-Preis (2007), dem József-Attila-Preis (2008), dem Palládium-Preis (2009) und dem Tibor-Déry-Preis (2012). 2014 stand sie auf der Shortlist des vom Berliner Haus der Kulturen der Welt ausgelobten Internationalen Literaturpreises. Sie lebt in Budapest.
Desire and De-Scription
Words and Images of Postmodernism in the Late Poetry of William Carlos Williams
Rodopi Press
Amsterdam / Atlanta, 1999
Amerikáner
Magvető
Budapest, 2000
Exposed MemoryFamily Pictures in Private and Collective Memory
[Hg. mit Hedvig Turai]
AICA-CEU Press
Budapest, 2010
Abendschule – Eine Fibel für Erwachsene
[Ü: Terézia Mora]
Suhrkamp
Berlin, 2012
Als nur die Tiere lebten
[Ü: Terézia Mora]
Suhrkamp
Berlin, 2014