Zbynek Hejda
- Tschechische Republik
- Zu Gast beim ilb: 2003
Zbynek Hejda wurde 1930 in Hradec Králové, Tschechien, geboren. Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte an der Prager Karlsuniversität arbeitete er von 1953 bis 1958 als Historiker und danach bis 1968 in der Prager Stadtverwaltung. Seine Stelle als Verlagsredakteur verlor er durch den Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings, die darauf folgende Arbeit in einem Antiquariat durch die Unterzeichnung der „Charta 77“. Bis 1989 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Hausmeister.
Literarisch und publizistisch ist Zbynìk Hejda seit der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre tätig. Er gehörte zur Redaktion der nonkonformistischen Literaturzeitschrift „Tváø“ und war seit 1985 als Mitherausgeber der Samisdatzeitschrift „Støední Evropa“ (Ü: Mitteleuropa) tätig. Zbynìk Hejda veröffentlichte mehrere Gedichtbände, von denen nur die beiden ersten, „Všechna slast“ (Ü: Alle Lust) und „A tady všude muziky je plno“ (Ü: Und alles ist hier voller Musik), offiziell erscheinen konnten. Zusammen mit „Blízkosti smrti“ (Ü: Nähe des Todes), der im Samisdat verlegt wurde, bilden sie einen ersten Werkabschnitt, der die triste Atmosphäre der fünfziger und sechziger Jahre reflektiert. Zwischen Friedhof und Wirtshaus, zwei zentralen Topoi Hejdas Lyrik, tummeln sich die Gestalten einer maroden Welt: Betrunkene, Dirnen und Schinder bilden ein Panoptikum kreatürlicher Misere. Von der linientreuen Kritik wurden seine Gedichte als „spiritualistisch“ und „entartet“ gebrandmarkt – Hejda war mit einem mehr als zwanzigjährigen Publikationsverbot belegt.
Die Sammlung „Lady Felthamová“, 1979 erstmals im Samisdat verlegt, schildert am roten Faden einer verschlüsselten Liebesgeschichte erotische Reminiszenzen und führt Motive südlicher Landschaften an, die die paradoxe Behauptung, daß „Böhmen am Meer“ läge, sehnsüchtig aufnehmen. In „Valse mélancolique“ zieht der Autor eine lakonische Lebensbilanz. Aus Altersperspektive werden abstrakte Gedanken zur Vergänglichkeit als unzulässig erkannt. Stattdessen werden Erinnerungen an die Orte der Kindheit, an Weggefährten und die mit überdeutlicher Schärfe wahrgenommenen alltäglichen Marginalien zu den einzig fassbaren letzten Sicherheiten. Diese Bände, die in einer 2003 erschienen deutschen Übersetzung vorliegen, sind durchsetzt von bildmächtigen Traumprotokollen, die als unbewusster Subtext die Ängste und Obsessionen des lyrischen Ich ironisch brechen.
1996 wurde Hejda der renommierte Jaroslav-Seifert-Preis verliehen. Ausgesprochen für „Valse mélancolique“, galt diese Auszeichnung jedoch auch dem Gesamtwerk, das sich vor allem um zwei einander durchdringende Themenkreise – Tod und Eros – bewegt.
Der Lyriker und Übersetzer (u . a. Trakl, Benn, Dickinson) lebt in Prag und dem böhmischen Dorf Horni Ves.
Der Autor verstarb am 16. November 2013.
© internationales literaturfestival berlin
Všechna slast
Praha
Prag, 1964
Blïzkosti smrti
KDM
Prag, 1992
Básne
Torst
Prag, 1996
Lady Feltham Valse mélancolique
Edition Korrespondenzen
Wien, 2002
Übersetzung: Christa Rothmeier
Übersetzerin: Christa Rothmeier