Yasmina Reza
- Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2017
Yasmina Reza, geboren 1959 in Paris, stammt aus einer jüdisch-iranischen Familie, in der Musik eine wichtige Rolle spielte; ihre Mutter war Violinistin. Nach einem Schauspielstudium an der Universität Paris-Nanterre und der École Internationale de Théâtre von Jacques Lecoq spielte Reza auf verschiedenen französischen Bühnen. 1987 begann sie mit dem Schreiben von Dramen, und bereits ihre ersten beiden Stücke wurden mit dem Prix Molière ausgezeichnet. Ihr drittes, vielfach preisgekröntes Stück »Kunst« (1994) brachte ihr den Durchbruch und wurde ein Welterfolg: Ein Mann hat »ein weißes Bild mit weißen Streifen« für 200 000 Francs gekauft, was bei seinen beiden langjährigen Freunden Befremden und eine erbitterte Diskussion auslöst. Es folgten Stücke wie »Der Mann des Zufalls« (1995), »Drei Mal Leben« (2000), »Ein spanisches Stück« (2004) u. a., die Reza zur weltweit meistgespielten zeitgenössischen Dramatikerin machten. Ihr Theaterstück »Der Gott des Gemetzels« (2006) wurde außerdem 2011 nach ihrem eigenen Drehbuch von Roman Polanski verfilmt und u. a. mit dem César ausgezeichnet. Die formalen Vorgaben des dramatischen Genres sind für Reza beim Schreiben eher hilfreich als einengend, daher favorisiert sie die Dramatik als Gattung. Ihre musikalische Prägung hat zudem Einfluss auf die Lexik: »Es kommt häufig vor, dass ich Wörter verwende, weil sie an einer bestimmten Stelle gut klingen, und nicht, weil sie an dieser bestimmten Stelle richtig sind.« Teilweise wurde der Witz ihrer Theatertexte in Inszenierungen komödiantisch uminterpretiert, was jedoch dem tiefen Ernst von Handlung und Figurenkonstellation ihrer Stücke widerspricht.
Ende der neunziger Jahre begann Reza auch Prosa zu schreiben. Ihr Porträt von Nicolas Sarkozy »L’aube le soir ou la nuit« (2007; dt. »Frühmorgens, abends oder nachts«, 2008) entstand, nachdem sie den Präsidentschaftskandidaten neun Monate lang während des Wahlkampfs begleitet hatte. In »Heureux les heureux« (2013; dt. »Glücklich die Glücklichen«, 2014), einer Geschichte über die Wohlstandsprobleme der gehobenen Mittelschicht, erzählt Reza jedes Kapitel aus der Perspektive einer anderen Figur und schildert voller bitterer Komik die aus der Zweisamkeit entstehenden Reibereien. Um angestauten Zorn und innerliche Verrenkungen, die zu überraschenden und fatalen Explosionen führen, geht es auch in ihrem jüngsten Buch »Babylone« (2016; dt. »Babylon«, 2017), das in die Abgründe einer Paarbeziehung führt: Nachdem ein Mann mit seiner Frau auf einer Party wegen eines Biohühnchens gestritten hat, erwürgt er sie in der Nacht und bittet dann die Nachbarn, die Leiche aus dem Haus zu schaffen.
Yasmina Reza wurde für ihr künstlerisches Schaffen mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter mit dem »Welt«-Literaturpreis 2005, dem Tony Award 2009, dem Kythera-Preis 2014 sowie dem Prix Renaudot 2016 für »Babylone«. Sie lebt in Paris.
Kunst
Libelle
Lengwil/Konstanz, 1996
[Ü: Eugen Helmlé]
Hammerklavier
Eine Sonate
Ammann
Zürich, 1998
[Ü: Eugen Helmlé]
Im Schlitten Arthur Schopenhauers
Hanser
München, 2005
[Ü: Frank Heibert u. Hinrich Schmidt-Henkel]
Nirgendwo
Hanser
München, 2012
[Ü: Frank Heibert u. Hinrich Schmidt-Henkel]
Frühmorgens, abends oder nachts
Hanser
München, 2008
[Ü: Frank Heibert u. Hinrich Schmidt-Henkel]
Ihre Version des Spiels
Libelle
Lengwil/Konstanz, 2011
[Ü: Frank Heibert u. Hinrich Schmidt-Henkel]
Glücklich die Glücklichen
Hanser
München, 2014
[Ü: Frank Heibert u. Hinrich Schmidt-Henkel]
Babylon
Hanser
München, 2017
[Ü: Frank Heibert u. Hinrich Schmidt-Henkel]