Yasmina Khadra
Yasmina Khadra wurde 1955 unter dem Namen Mohammed Moulessehoul in Kenadsa in der algerischen Sahara geboren. Wie sein Vater, ein Offizier der algerischen Armee, sollte er Militär werden und wurde auf eine Kadettenschule geschickt. Auf dem Militärgymnasium verfasste er seinen ersten Band mit Kurzgeschichten, der elf Jahre später unter dem Titel »Houria« (1984) erschien. Khadra trat nach dem Abschluss seiner Ausbildung an der Académie militaire inter-armes in Cherchell im Rang eines Leutnants in die Streitkräfte ein. Um einen Erlass zu umgehen, der Angehörige des Militärs verpflichtete, schriftliche Erzeugnisse vor der Publikation einer Zensurbehörde zu unterbreiten, veröffentlichte der Autor sein inzwischen siebtes Werk unter dem Pseudonym »Commissaire Llob«. Es ist gleichzeitig der Name des Protagonisten einer Reihe von Kriminalromanen, die der Autor in den frühen neunziger Jahren verfasste, als er im Zuge des militärischen Einsatzes gegen die islamistischen Fundamentalisten zur algerisch-marokkanischen Grenze versetzt wurde. Nach den ersten beiden Büchern um den unbestechlichen, zunehmend hilflosen Kommissar, der bei seinen Ermittlungen die Missstände der algerischen Gesellschaft wie Korruption und Cliquenwirtschaft aufdeckt und dabei zwischen die Fronten der Islamisten und der etablierten Machtelite gerät, konnte der Autor nur noch im Ausland veröffentlicht werden und wählte die ersten beiden Namen seiner Frau als Pseudonym.
1997 verfasste er unter diesem Namen den Kriminalroman »Morituri« (dt. 1999), der ihn in Europa bekannt machen sollte. Das Buch bildet mit den Nachfolgebänden »Double Blanc« (1998; dt. »Doppelweiß«, 2000) und »L’Automne des chimères« (1998; dt. »Herbst der Chimären«, 2001) eine Trilogie, die den algerischen Bürgerkrieg und seine Hintergründe spannend und authentisch schildert. Während die ersten Bände die Form klassischer Kriminalgeschichten haben, die ihrer Aufklärung entgegengehen, kulminiert die Schilderung der allgegenwärtigen Gewalt im letzten Band mit dem Tod des Protagonisten, nachdem dieser als Autor hinter dem Pseudonym »Yasmina Khadra« entdeckt und vom Dienst suspendiert worden war. Khadra selbst gelang es, dem gleichen Schicksal zu entgehen. Nach der Veröffentlichung von zwei hellsichtigen Romanen, die mit dokumentarischer Exaktheit und expressiver Emotionalität bereits vor den Ereignissen vom 11. September die psychischen und sozialen Ursachen des islamistischen Fundamentalismus thematisierten, quittierte er im Jahr 2000 seinen Dienst und ging mit seiner Familie ins Exil nach Südfrankreich. Ein Jahr später enthüllte er sein Pseudonym und beschrieb sein Leben als Militär und Schriftsteller in der Autobiografie »L’Ecrivain« (2001; Ü: Der Schriftsteller).
Der Autor wurde u.a. mit dem Hauptpreis der Association des libraires algériens, dem Prix du Meilleur Polar Francophone, dem Prix littéraire Beur FM Mediterranée und dem Prix Tropiques ausgezeichnet. Er lebt in Aix-en-Provence.
© internationales literaturfestival berlin
Houria
Editions ENAL
Algier, 1984
Morituri
Unionsverlag
Zürich, 2001
[Ü: Bernd Ziermann, Regina Keil-Sagawe]
Doppelweiß
Unionsverlag
Zürich, 2002
[Ü: Regina Keil-Sagawe]
Herbst der Chimären
Unionsverlag
Zürich, 2002
[Ü: Regina Keil-Sagawe]
Wovon die Wölfe träumen
Aufbau
Berlin, 2002
[Ü: Regina Keil-Sagawe]
l’Ecrivain
Julliard
Paris, 2003
Die Lämmer des Herrn
Aufbau
Berlin, 2004
[Ü: Regina Keil-Sagawe]
Die Attentäterin
Nagel und Kimche
Zürich, 2006
[Ü: Regina Keil-Sagawe]
Nacht über Algier
Aufbau
Berlin, 2006
[Ü: Frauke Rother]
Die Sirenen von Bagdad
Nagel & Kimche
Zürich, 2008
[Ü: Regina Keil-Sagawe]