Ursula Krechel
- Deutschland
- Zu Gast beim ilb: 2006
Ursula Krechel, 1947 in Trier geboren, arbeitete bereits während ihres Studiums der Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte sowohl für den Westdeutschen Rundfunk als auch für Zeitungen. Bevor sie 1972 an der Universität Köln promovierte, war sie zwei Jahre lang Dramaturgin an den Städtischen Bühnen in Dortmund und leitete Theaterprojekte mit jugendlichen Strafgefangenen. Zwei Jahre später debütierte sie mit dem Theaterstück »Erika« (1974), das in sechs Sprachen übersetzt wurde. Ihr erster Gedichtband »Nach Mainz« erschien 1977. Danach veröffentlichte Ursula Krechel zahlreiche Lyrikbände, Essays, Prosa, Theaterstücke sowie Hörspiele, zuletzt für den Südwestdeutschen Rundfunk »Meine Stimme ist mit den Fischen geschwommen« (2004). Die Autorin knüpft hierbei an Motive ihrer Erzählung »Der Übergriff« (2001) an: die unterschiedlichen Facetten von Gewalt, verinnerlichte Konventionen und Selbstzensur. Eine Frau hört eine Stimme im Ohr, die ihr immerzu grob den Mund verbietet. Sie schweigt, reist übers Meer, beobachtet – und schreibt gegen diese Stimme an.
Während sich Ursula Krechel in ihrem umfangreichen, viel gelobten Werk anfangs an einer feministischen Perspektive orientierte, erweitern sich die Themen in späteren Arbeiten. Ihre Gedichte zeichnen sich durch ihre fulminante und dynamische Sprache aus, über deren sinnliche Schönheit Friederike Mayröcker sagte: »Das ist eine poetische Sprache des 21. Jahrhunderts, verzeihen Sie, dasz ich so enthusiastisch reagiere.« Sprachlich meisterhaft präzise und kompositorisch hochkarätig verfolgt Ursula Krechel in ihrem Langgedicht »Stimmen aus dem harten Kern« (2005) wiederum das Motiv der Gewalt des Menschen, das unwiderruflich an sein erotisches Begehren und wirtschaftliches Streben geknüpft zu sein scheint. Zwölf mal zwölf Gedichte zu je zwölf Verszeilen bilden einen Zyklus und folgen den Spuren der Gewalt durch die letzten dreitausend Jahre der Geschichte der Menschheit: vom Trojanischen Krieg bis hin zu den Weltkriegen Europas, von der Kolonialisierung bis hin zu den Völkermorden in Ländern Afrikas. »Wäre ein Versuch, nicht zur Deckung zu kommen, Geschichte / Wäre ein Versuch gewesen, der Abhängigkeit zu entkommen…« Es ist ein Krieg aus Worten, fragmentarisch aus antiken Texten, Briefen, Volksliedern, Chroniken und Kriegsberichten zu einem großen Poem zusammengeschmolzen.
Zuletzt veröffentlichte Krechel das Poem »Mittelwärts« (2006). Die Autorin wurde mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet, u.a. mit dem Internationalen Eifel-Literaturpreis (1994) und dem Martha-Saalfeld-Förderpreis (1994). Für ihr Gesamtwerk wurde sie 1997 mit dem renommierten Elisabeth-Langgässer-Preis geehrt. Den Frühsommer 2006 verbrachte sie als Stipendiatin der Hermann-Hesse-Stiftung in Calw. Ursula Krechel, Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, lehrt als Gastdozentin an verschiedenen Universitäten und lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
Erika
Verlag der Autoren
Frankfurt/Main, 1981
Nach Mainz
dtv
München, 1983
Die Freunde des Wetterleuchtens
Luchterhand
Frankfurt/Main, 1990
Ungezürnt
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 1997
Verbeugungen vor der Luft
Residenz-Verlag
Salzburg, Wien, 1999
Der Übergriff
Jung und Jung
Salzburg, Wien, 2001
Stimmen aus dem harten Kern
Jung und Jung
Salzburg, Wien, 2005
Mittelwärts
zu Klampen
Springe, 2006