Ulf Stolterfoht
- Deutschland
- Zu Gast beim ilb: 2007
Der Lyriker Ulf Stolterfoht wurde 1963 in Stuttgart geboren. Er studierte bis 1991 Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft in Bochum und Tübingen. Von 1988 bis 2004 schrieb er an seinem dreibändigen opus magnum, den »fachsprachen« (I-IX, 1998; X-XVIII, 2002; XIX-XXVII, 2004). Die Kritik reagierte mit Anerkennung und Bewunderung auf den eigenständigen lyrischen Ton.
Stolterfohts Texte sind der sprachreflexiven, experimentellen Dichtungstradition eines Samuel Beckett und Oskar Pastior zuzurechnen. Sein poetisches Programm verschmilzt sprachliche Versatzstücke verschiedenster Herkunft – hochfunktionale Fachsprachen des Handwerks und der sprachanalytischen Theorien, Werke des klassischen Literaturkanons, aber auch die Umgangs- und Jugendsprache – in einem formalistischen Verfahren des Recycelns. Der Kompilations-Charakter seiner Dichtung tritt dabei so stark in den Vordergund, dass Kurt Drawert einen »Nicht-Autor« als Urheber der Texte ausmachte. Nach Erscheinen des zweiten Teils erklärte Stolterfoht in einem Interview: »Jetzt habe ich ›Der kleine Radiotechniker‹-Bücher gelesen, da hab ich ein Gedicht über Radiotechnik und CB-Funk geschrieben. Dann gibt es eine Abteilung über Rinder- und Schweinezucht im neuen Buch: ich hab DDR-Bücher über VEB-Anweisungen zur Schweinezucht gelesen. Also möglich ist eigentlich alles.«
Bedeutungsgehalte werden im Spiel von Verweisen, Anspielungen und Zitaten stetig hinterfragt und rhythmischen sowie lautlichen Strukturen untergeordnet. Der Binnenreim dient als Binde-Kitt und Rhythmusmacher. Morpheme bilden als klangliche Ausgangspunkte mit der Struktur der Sätze selbst eine »assoziative Hangelhilfe«, so Stolterfoht, an der sich auch seine Übersetzung von Gertrude Steins Erzählgedicht, »Winning His Way / wie man seine art gewinnt« (2005), orientiert. Zuletzt griff Stolterfoht in seinem »traktat vom widergang« (2005) auf ein Werk des argentinischen Schriftstellers Juan Filloy zurück, das er, »weniger mit hilfe des wörterbuchs als der anklangsmaschinerie, ins deutsche geholt und gemäß den regeln des häckselns bearbeitet« hat, wie er in einer Nachbemerkung schreibt.
Stolterfoht erhielt für sein Werk mehrere Auszeichnungen und Arbeitsstipendien: nach der Verleihung des »open mike« im Jahr 1994 einige Förderpreise (darunter den Ernst-Meister-Förderpreis), Stipendien des Berliner Senats, der Länder Niedersachsen und Baden-Württemberg, der Stiftung Preußische Seehandlung u.a., den Christine-Lavant-Lyrikpreis, den Anna-Seghers-Preis, sowie zuletzt den Alfred-Gruber-Preis. Er ist derzeit Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Seit 1994 lebt und arbeitet der Vater von drei Kindern als Lyriker und Übersetzer in Berlin. In Kürze erscheint mit »holzrauch über heslach« ein langes, ethnologisches, quasi-autobiografisches Gedicht.
© internationales literaturfestival berlin
fachsprachen I-IX
Engeler
Wien, Basel, Weil am Rhein, 1998
fachsprachen X-XVIII
Engeler
Wien, Basel, Weil am Rhein, 2002
fachsprachen XIX-XXVII
Engeler
Wien, Basel, Weil am Rhein, 2004
Winning His Way / wie man seine art gewinnt
Engeler
Wien, Basel, Weil am Rhein, 2005
traktat vom widergang
Engstler
Ostheim/Rhön, 2005
holzrauch über heslach
Engeler
Wien, Basel, Weil am Rhein, 2007