Tomáš Zmeškal
Tomáš Zmeškal wurde 1966 als Sohn eines Kongolesen und einer Tschechin in Prag geboren. Mit dem Erscheinen seines Debütromans »Milostný dopis klínovým písmem« (2008, Ü: Liebesbrief in Keilschrift) wurde er schlagartig zum Hoffnungsträger der jungen tschechischen Literatur. Der Roman erzählt eine Prager Familiengeschichte aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach ihrer Heirat Anfang der 50er Jahre werden Josef und Květa zehn Jahre wegen Josefs politischer Haft getrennt. Hynek, der beim tschechischen Staatssicherheitsdienst arbeitet und mit Josefs Fall betraut ist, drängt Květa in eine Abhängigkeitsbeziehung. Květa beginnt sich mit ihrer Opferrolle zu identifizieren. 1960 wird Josef entlassen und versucht mit Květa das gemeinsame Leben wieder aufzunehmen, bis er von ihrem Verhältnis zu seinem Peiniger erfährt und die Beziehung in eine Sackgasse gerät. Erst nach seinem Tod taucht ein Liebesbrief in Keilschrift von Josef an Květa auf, der seine unumstößliche Liebe zu ihr offenbart. Zmeškal ging in seinem Debüt frei mit verschiedenen Stilregistern um und bediente sich verschiedener literarischer Formen wie Brief, Tagebuch, Traumbeschreibungen sowie literarischen, philosophischen und historischen Anspielungen. Der Roman macht sinnfällig, wie innerhalb eines diktatorischen Systems, das Missbrauch und Perversion von Macht befördert, die Mitteilung von Gefühlen fast unmöglich wird, so wie Josef seine Liebe nur in der chiffrierten Form eines Briefs in Keilschrift zum Ausdruck bringen kann. Mit der Geschichte von Květa und ihrem Verhältnis zu Hynek macht Zmeškal zudem deutlich, wie sexuelle Abhängigkeit benutzt wird, um Menschen in einer Weise zu unterwerfen, die sie selbst Schuld empfinden lässt.
Zmeškals Roman »Životopis černobílého jehněte« (2009, Ü: Die Biografie des schwarz-weißen Lamms), den er lange vor seinem Debüt verfasst hatte, ist der erste Roman in tschechischer Sprache, der sich mit der Lebenserfahrung von Menschen afrikanischer Herkunft innerhalb kommunistischer Systeme in Osteuropa befasst. Der Autor erzählt darin die Kindheits- und Jugendgeschichte eines Zwillingspaars, das seine ethnisch gemischten Eltern nicht kennengelernt hat und bei der Großmutter aufwächst. Obwohl diese versucht, sie von allen Anfeindungen abzuschirmen, bekommen sie den Rassismus ihrer Umgebung in vollem Umfang zu spüren. Dieser ist umso absurder, als sich die Gesellschaft, in der sie leben, offiziell Internationalismus und Völkerverständigung auf die Fahnen geschrieben hat.
Für seinen Roman »Milostný dopis klínovým písmem« wurde Tomáš Zmeškal für den Magnesia-Litera-Preis 2009 nominiert und mit dem angesehenen Josef-Škvorecký-Preis ausgezeichnet. Er lebt als Schriftsteller, Übersetzer und Englischdozent in Prag.
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Milostný dopis klínovým písmem
Torst
Prag, 2008
Životopis černobílého jehněte
Torst
Prag, 2009