Tim Staffel
- Deutschland
- Zu Gast beim ilb: 2001
Tim Staffel wurde 1965 in Kassel geboren. Bis 1991 studierte er Angewandte Theaterwissenschaft bei Andrzej Wirth in Gießen. Danach ließ er sich als freier Schriftsteller und Regisseur nieder. 1993 inszenierte er sein erstes Theaterstück, »Truppen«, im Theater am Turm in Franfurt am Main. Die meisten seiner Theaterstücke erlebten ihre Uraufführung jedoch erst ab 1998, dem Jahr, als Staffel mit seinem Roman »Terrordrom« bekannt wurde.
»Es ist wirklich grotesk, dass ich sehr lange nur fürs Theater geschrieben habe und sich dafür eigentlich niemand interessiert hat. Dann schreibt man einen Roman – und der kommt prompt aufs Theater«, kommentierte der Autor damals das Interesse an seinem neuesten Werk, das er vor allem Frank Castorfs Adaption für die Bühne verdankte. Am Ende aber begeisterte sich die Kritik mehr für den Roman als für die Theaterfassung und feierte ihn als paranoid realistisches Endzeitszenario einer medial entfremdeten Gesellschaft. Wiederholt wurde Staffel damals allerdings auch eine affirmative Haltung zur Gewalt vorgeworfen. Diese »sehr eingeschränkte Sichtweise« wies der Autor stets zurück: »Wir leben nun mal in einer sehr gewaltsamen Gesellschaft. Wir alle sind ständig konfrontiert mit Gewalt, sowohl als Ausübende als auch als Opfer von Gewalt.« Als Stipendiat der Alfred-Döblin-Stiftung hatte sich Staffel 1996 von Wewelsfleth, wo er im Haus von Günter Grass residierte, nach Berlin, seiner Wahlheimat seit 1993, zurückphantasiert. Nur »ein Rädchen weitergedreht« hatte er dabei die sattsam bekannten Hauptstadt-Erfahrungen: Straßenschlachten, Eventkultur, ewiger Winter.
Die »Zeit« verpflichtete den Jung-Autor daraufhin als Berlin-Kolumnisten für ihre Magazinbeilage. »Als Materialspender ist Berlin hervorragend, aber zum Arbeiten taugt es nicht sonderlich viel«, schränkt Staffel seine Hauptstadtliebe heute ein. In seinem zweiten Roman, »Heimweh«, kehren die Figuren Berlin den Rücken zu, um sich auf die Suche nach »Heimat« zu begeben, nach »etwas, was fernab jeglicher oktroyierter Normalität ist und den Mechanismen des Alltags entgegensteht«.
Neue Theaterstücke – »eher eine Zwischenform, aber noch keine Literatur« – sind von Tim Staffel derzeit nicht zu erwarten. Aber so genau nimmt er es mit den Genregrenzen eigentlich nicht. Seine Prosa stellt er oft in sehr gelungenen Performances vor, bei denen er mit Musikern wie Spin-O, SMAT oder der Band Madonna Hip Hop Massaker zusammenarbeitet.
© internationales literaturfestival berlin
Terrordrom
Ammann
Zürich, 1998
Das Mädchen mit dem Flammenwerfer
Bartleby & Co
Brüssel, 1998
Ill: Thorsten Baensch
Heimweh
Volk & Welt
Berlin, 2000
Rauhfaser
Fischer
Frankfurt/Main, 2002