Thorsten Becker
- Deutschland
- Zu Gast beim ilb: 2007
Thorsten Becker wurde 1958 in Oberlahnstein geboren und wuchs in Köln auf. Nach einer Schauspielausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien arbeitete er als Schauspieler und Regieassistent. Bis 1984 studierte er Philosophie, Geschichte, Soziologie und Theaterwissenschaft an der Freien Universität in Berlin. 1985 debütierte er mit der Erzählung »Die Bürgschaft«. Die Travestie auf die Schillersche Ballade, in der ein Westberliner Schriftsteller für einen Ostberliner Kollegen bürgt, indem er an seiner Stelle zurückbleibt, wurde von Marcel Reich-Ranicki enthusiastisch rezensiert.
Becker ist »einer der flinksten und einfallsreichsten deutschen Schriftsteller«, urteilte Martin Kämpchen in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Der Autor schreibt Gedichte, essayistische und autobiographische Texte, dramatische Szenen und übersetzt aus dem Französischen. Bekannt ist er überwiegend für seine acht Romane, die mit der unterhaltsamen und bravourösen Überblendung und Kreuzung verschiedener historischer Kontexte das Genre des historischen Romans wiederbeleben. Er verarbeitet auch Eindrücke zahlreicher Reisen, die ihn u.a. in den Nahen Osten und nach Nordafrika führten. Nach Romanen, die im arabischen Raum und in Indien spielen, wies sich Becker in »Sieger nach Punkten« (2004) auch als intimer Kenner der Türkei aus. Hier verknüpft er die Lebensgeschichte eines anatolischen Auswanderers und den Boxkampf von dessen Sohn um den Weltmeistertitel im Superfedergewicht mit einer umfassenden Darstellung der türkischen Landesgeschichte.
Als Meister des historischen Pastiches zeigt sich Becker mit »Der Untertan steigt auf den Zauberberg« (2001), in dessen Zentrum die Familie der Manns steht, die mit der fiktiven Künstlerkolonie Orbeswenden (wofür natürlich Worpswede Pate stand) verwoben wird. Die krankhafte Identifizierung der Patientin eines Psychologen mit Erika Mann greift allmählich auf den Arzt über. Heinrich und Thomas Mann sind auch die Protagonisten in Beckers aktuellem Roman »Fritz« (2006). Der Briefwechsel zwischen ihnen – von Becker erfrischend imitiert – und ein angebliches gemeinsames Romanprojekt liefern ein lebendiges Porträt von der Überfigur der deutschen Geschichte, Friedrich dem Großen. Das fiktive Versdrama »Katte«, das die Manns in die Zeit Friedrichs verlegen, stammt – bei Becker – von einem Zeitgenossen der schreibenden Brüder. Diesem Werk gab Becker reale literarische Gestalt, und es erlebte 2006 bei Eröffnung des Neubaus des Hans-Otto-Theaters in Potsdam seine Premiere.
Zu Beckers Auszeichnungen gehören verschiedene Stipendien sowie der Literaturpreis der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und der Turiner Premio Grinzane Cavour. 2005 war der Autor Stadtschreiber in Rheinsberg, 2008 ist er Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Er lebt in Berlin, wenn er nicht auf Reisen ist.
© internationales literaturfestival berlin
Die Bürgschaft
Ammann
Zürich, 1985
Die Nase
Kiepenheuer & Witsch
Köln, 1987
Schmutz
Ammann
Zürich, 1989
Tagebuch der Arabischen Reise
Ammann
Zürich, 1991
Mitte
Volk & Welt
Berlin, 1994
Schönes Deutschland
Volk und Welt
Berlin, 1996
Der Untertan steigt auf den Zauberberg
Rowohlt
Reinbek, 2001
Die Besänftigung
Rowohlt
Reinbek, 2003
Sieger nach Punkten
Rowohlt
Reinbek, 2004
Fritz
Rowohlt
Reinbek, 2006