Teju Cole
Teju Cole wurde 1975 in Kalamazoo, Michigan, geboren, jedoch von seinen aus Nigeria stammenden Eltern in Lagos aufgezogen. 1992 kehrte er in die USA zurück, »ein Land, dessen Bürger ich mein ganzes Leben lang war, und gleichwohl ein Land, das ich nur vom Hörensagen kannte und noch immer zu verstehen versuche«, so Cole in einem Interview mit dem »New Yorker«.
2007 wurde seine Novelle »Every Day is for the Thief« (Ü: Jeder Tag ist für den Dieb) publiziert. Sie handelt von einem jungen Nigerianer, der nach Jahren in der Diaspora in seine Heimatstadt zurückkehrt. Auf der Suche nach der individuellen Identität des Protagonisten entsteht nebenbei ein Bild des Wandels, den das Land gegenwärtig erfährt. Coles Romandebüt »Open City» (2011; dt. 2012) spiegelt in gewissen Teilen abermals den eigenen Hintergrund des Autors wider. Sein Erzähler Julius wandert während eines Forschungsstipendiums durch die Straßen New Yorks. Er ist ein stiller Beobachter, der die Stadt im Gehen erkundet und sie sich auf seine Weise zu eigen macht. In den inneren Monologen des Stadtflaneurs erfährt man mitunter von seiner Kindheit in Lagos wie auch von seiner Isolation und Entfremdung in den USA. Coles Prosa besticht durch Eloquenz, Bedächtigkeit und seine sensible Wahrnehmung. Abgesehen von den eklektischen Referenzen an Künstler, Schriftsteller, Musiker und Philosophen fungierten auch W. G. Sebald sowie Joyce’ »Dubliners«-Story »The Dead« als erklärte Vorbilder. »Open City« wurde mit dem renommierten Hemingway Foundation/PEN Award prämiert. Gegenwärtig arbeitet er an einem Sachbuch über Lagos. Als größte Stadt Afrikas und am schnellsten wachsende Metropole der Welt ist sie für Cole, wie er sagt, »einer der komplexesten, aufregendsten und interessantesten Orte überhaupt«. Das dokumentarisch erzählende Buchprojekt stützt sich dabei auf eigene Erfahrungen und Gespräche mit Einwohnern der Stadt. Inspiriert von Félix Fénéons »faits divers«, verarbeitete Cole überschüssiges Material seiner Recherchen in Kürzestgeschichten, deren Länge jeweils durch die Zeichenanzahl einer Twitternachricht begrenzt sind. Daraus entwickelte sich sein Projekt »small fates«, in welchem er im Format des Mikrobloggings in ähnlicher Manier New Yorker Begebenheiten aufarbeitet, die sich vor exakt 100 Jahren zugetragen haben.
Cole schreibt regelmäßig für diverse Zeitungen und Literaturmagazine (u. a. für die »New York Times«, »Qarrtsiluni« und »Tin House«). Er unterrichtete an der Columbia, der Hofra und der New York University und nimmt derzeit eine Berufung zum Distinguished Writer in Residence am Bard College, New York, wahr. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit kommt er auch seiner Leidenschaft für Straßenfotografie nach. Eine Ausstellung seiner Fotografien ist für Dezember 2012 unter dem Titel »Fire Script« im indischen Panaji geplant. Cole lebt in Brooklyn, New York.
© internationales literaturfestival berlin
Every Day is for the Thief
Cassava Republic Press
Abuja, 2007
Open City
Suhrkamp
Berlin, 2012
[Ü: Christine Richter-Nilsson]
www.tejucole.com