Tariq Ali wurde 1943 im indischen Lahore geboren, das damals noch unter britischer Kolonialherrschaft stand und seit 1947 zu Pakistan gehört. Um einer mehrjährigen Gefängnisstrafe zu entgehen, die ihm drohte, nachdem er als Studentenrat öffentliche Demonstrationen gegen die Militärdiktatur organisiert hatte, sah er sich gezwungen nach England zu emigrieren. In Oxford studierte er Politik und Philosophie und wurde als erster Pakistani zum Vorsitzenden der Oxforder Studentenvereinigung gewählt. Während des Vietnamkrieges brachten ihm öffentliche Debatten mit Persönlichkeiten wie Henry Kissinger oder Michael Stewart politische Anerkennung ein. 1966 wurde er Mitglied der Bertrand-Russell-Friedensstiftung, für die er in Kriegsgebiete und Krisenregionen reiste. Er entwickelte sich bald zu einem führenden Vordenker und Wortführer der englischen Studentenrevolte von 1968. Seit dieser Zeit ist er auch Mitherausgeber der »New Left Review«, einer der wichtigsten unabhängigen Zeitungen der internationalen Linken.
Ali trat auch als Filmemacher und Schriftsteller hervor, der immer wieder die Konflikte zwischen den westlichen Gesellschaften und seiner islamischen Heimat thematisiert. Als »Grenzgänger zwischen der westlichen und arabischen Welt«, wie ihn Daniel Cohn-Bendit charakterisierte, »kennt er wie kein anderer die Konflikte beider Seiten und ihre historischen Wurzeln.« Nach seinem ersten Roman »Redemption« (1991; Ü: Erlösung), einer satirischen Darstellung der extremen Linken in Europa, begann er unter dem Eindruck des ersten Golfkrieges einen fünfteiligen Romanzyklus über den Islam. »Shadows of the Pomegranate Tree« (1992; dt. »Im Schatten des Granatapfelbaums«, 1993) beschreibt den Verfall der muslimischen Zivilisation in Spanien. Das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und war Alis literarischer Durchbruch. Als viertes Werk aus dieser Reihe erschien zuletzt »A Sultan in Palermo« (2005; dt. »Der Sultan von Palermo«, 2005), ein im 12. Jahrhundert angesiedelter historischer Roman, der am Hof des Normannenkönigs Roger II. im islamisch geprägten Sizilien spielt. Die Geschichte des christlichen Herrschers, an dessen Lebensende sich eine Ära der Toleranz gegenüber Muslimen und Juden dem Ende zuneigt, ist mit der biografischen Darstellung des großen Gelehrten, Kartografen, Geografen und Arztes Abu Abdullah Muhammad al-Idrisi verknüpft.
Die Anschläge vom 11. September 2001 bewegten Ali zur Veröffentlichung des Sachbuchs »The Clash of Fundamentalisms« (2002; dt. »Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung«, 2002). Mit der kontroversen Stellungnahme, die Ali in dieser Publikation abgab, löste er eine breite Debatte aus. Er vertritt die These, »dass sich heute zwei Fundamentalismen gegenüberstehen, der religiöse und der imperialistische.« 2003 veröffentlichte er eine ebenso kritische wie deutliche Stellungnahme zum zweiten Irakkrieg. »Bush in Babylon« (2003; »Bush in Babylon. Die Re-Kolonisierung des Irak«, 2003) denunziert die Bestrebungen der Besatzer, sich den Irak als Rohstoffquelle und neuen Markt untertan zu machen. Ali veröffentlicht in zahlreichen internationalen Medien – darunter die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, die »Süddeutsche Zeitung«, »taz«, »Financial Times« und »The Guardian« – Artikel über die aktuelle politische Lage im Mittleren und Nahen Osten. Der Autor lebt in London.
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