Tahar Ben Jelloun
Tahar Ben Jelloun wurde 1944 im marokkanischen Fes geboren. Er besuchte in Tanger das französische Gymnasium und studierte Philosophie in Rabat. Zunächst als Lehrer tätig, schloss er sich Mitte der 60er dem Intellektuellen- und Künstlerkreis um die Kulturzeitschrift »Souffles« und dessen Gründer Abdellatif Laâbi an. In der Zeitschrift veröffentlichte er zahlreiche Texte. Für seine Teilnahme an den Studentenaufständen gegen die repressive Gewaltherrschaft der marokkanischen Polizei wurde der junge Dichter 1966 mit der Zwangsrekrutierung in ein Militärlager bestraft. Fünf Jahre später publizierte er seinen ersten Gedichtband »Hommes sous linceul de silence« (Ü: Menschen unter dem Leichentuch des Schweigens). Kurz darauf emigrierte er nach Paris, wo er zu einem der bedeutendsten Wortführer der Immigranten aus Nordafrika avancierte.
Seinen Durchbruch als Schriftsteller hatte Ben Jelloun 1985 mit dem Roman »L’enfant de sable« (dt. »Sohn ihres Vaters«, 1986). Für den Folgeroman »La nuit sacrée« (1987; dt. »Die Nacht der Unschuld«, 1987) erhielt er als erster maghrebinischer Autor den Prix Goncourt. Seine Romane stehen im Zeichen der Gesellschaftskritik und behandeln polemisch Rassismus sowie staatliche und religiöse Repression, wie er sie in seinem Heimatland erlebt hat. Nicht gegen »den Islam als eine schöne Kultur und große Zivilisation« lehne er sich dabei auf, so Ben Jelloun, sondern gegen die, die »den Islam benutzen, um die Frauen, die Kinder zu beherrschen«. Oft nimmt er in seinen Romanen die Perspektive weiblicher Protagonisten ein, um die Beziehungen zwischen Mann und Frau kritisch auszuleuchten. So thematisiert er in »Les raisins de la galère« (1996; dt. »Die Früchte der Wut«, 2007) die Situation in den multiethnischen, muslimisch geprägten Vororten von Paris. Die maghrebinische Protagonistin Nadia kämpft darin auf kommunalpolitischer und privater Ebene für weibliche Gleichberechtigung. Mit seinem Roman »Cette aveuglante absence de lumière« (2001; dt. »Das Schweigen des Lichts«, 2002) über eine Strafkolonie löste er in Frankreich eine breite Diskussion über das Regime des 1999 verstorbenen marokkanischen Königs Hassan aus. Sein jüngster Roman, »Au pays« (2009; dt. »Zurückkehren«, 2010), handelt vom Schicksal eines marokkanischen Migranten und Familienvaters in Frankreich, der, als ihm die Rente droht, einen ins absurde abgleitenden Rückkehrversuch in sein Heimatdorf unternimmt: »Ein ergreifender Roman mit Beckett’schen Zügen« (»Le Magazine Littéraire«). Jüngst legte der Autor mit dem Band »Arabischer Frühling« (2011; auf Fanzösisch einige Wochen später erschienen in zwei Bänden: »L’étincelle« und »Par le feu«) einen »Lobgesang auf die laufende Revolution« (SZ) in der arabischen Welt vor.
Tahar Ben Jelloun wurde mit zahlreichen literarischen Auszeichnungen geehrt. Neben dem Prix Goncourt erhielt er u. a. den irischen IMPAC-Literaturpreis, den Grand Prix Littéraire du Maghreb und den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis 2011. Der Autor lebt und arbeitet in Paris.
© internationales literaturfestival berlin
Die Nacht der Unschuld
Rotbuch
Berlin, 1988
[Ü: Eva Moldenauer]
Papa, was ist ein Fremder?
Rowohlt Berlin
Berlin, 1999
[Ü: Christiane Kayser]
Die Früchte der Wut
Berlin Verlag
Berlin, 2007
[Ü: Christiane Kayser]
Zurückkehren
Berlin Verlag
Berlin, 2010
[Ü: Christiane Kayser]
Arabischer Frühling
Berlin Verlag
Berlin, 2011
[Ü: Christiane Kayser]