Susan Swan
Susan Swan wurde 1945 in Midland, Ontario, einem kleinen Touristenort am Rande der Great Lakes in Kanada, geboren. Großen Einfluss auf ihr späteres Werk sollten die Jahre in einem Mädcheninternat haben, wo sie im Spannungsfeld der konformistisch geprägten fünfziger Jahre und der Protestbewegung des darauffolgenden Jahrzehnts aufwuchs. Nach dem Studium der Englischen Literatur an der McGill University in Montreal war sie zunächst für eine Tageszeitung in Toronto tätig, ehe sie 1973, nach der Geburt ihrer Tochter, mit dem literarischen Schreiben begann. Inzwischen ist Susan Swan auch als Lyrikerin, Dramatikerin und Essayistin international bekannt und wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Seit 1983 lehrt sie an kanadischen Hochschulen Kreatives Schreiben und ist derzeit Professorin an der New York University in Toronto.
In ihren Romanen, die in 16 Ländern erschienen sind, beschäftigt sich Susan Swan auf unterhaltsame und provozierende Weise vor allem mit der Frage der Geschlechterrollen. »Starke weibliche Charaktere mit mythischer Kraft« zu erschaffen, die »neuen Wege aufzeigen, eine Frau zu sein« – so charakterisiert sie selbst ihr schriftstellerisches Anliegen. Eine solch außergewöhnliche Frau steht auch im Zentrum ihres ersten Romans »The Biggest Modern Woman of the World« (1983; Ü: Die größte moderne Frau der Welt), der in Kanada mittlerweile als Klassiker gilt. Erzählt wird die groteske Lebensgeschichte der Riesin Anna Swan (1846-1888), die als »größte Frau der Welt« in New York zur Schau gestellt wurde und internationale Berühmtheit erlangte. Als sie später im Mittleren Westen ein »normales« Leben führen will, muss sie jedoch erkennen, Dass sie den Konventionen ihrer Zeit nicht genügen kann. Swan beschreibt die Riesin als mythische Figur, die sich nicht nur im wörtlichen Sinn als »zu groß« für das enge Frauenbild einer von Männern dominierten Welt erweist.
Die Leidenschaften und das Aufbegehren zweier ungleicher Freundinnen, denen ein Leben als Junge verlockender erscheint, bilden den Hintergrund von »The Wives of Bath« (1993; dt. »Böse Mädchen«, 1997). Aus der Perspektive der Hauptfigur Mary, die mit schwarzem Humor und Selbstironie den tragischen Ereignissen ihrer Internatszeit auf die Spur geht, wird ein plastisches Bild vom Erwachsenwerden junger Mädchen im Kanada der sechziger Jahre gezeichnet. Doch auch in diesem Buch zeigt sich Swans Interesse an skurrilen Gestalten, die dem Leser jenseits des Vertrauten den Blick auf eine andere, tiefere Realität eröffnen. Der auf Swans Roman basierende Spielfilm »Lost and Delirious« (2001) – der unter diesem Titel auch in den deutschen Kinos lief – fand beim Sundance Film Festival in Utah und bei der Berlinale 2001 große Beachtung.
Swans Roman »What Casanova Told Me« (2004; Ü: Was Casanova mir erzählte) wurde als erstes »BookShort« präsentiert – ein neues Filmgenre, dass Handlung und Stimmung eines Buches kurz visuell darstellen soll: Parallel zur Zeit Casanovas und in der Gegenwart in Griechenland und Italien spielend, begeben sich sowohl historische Figuren als auch Protagonisten der Gegenwart – darunter ein fiktiver Nachkomme eines Gefährten Casanovas – auf eine Odyssee auf der Suche nach Erfüllung, Erneuerung und die Frage nach dem Sinn.
© internationales literaturfestival berlin
The Biggest Modern Woman of the World
Lester & Orpen Dennys
Toronto, 1983
The Last of the Golden Girls
Lester & Orpen Dennys
Toronto, 1989
The Thinking Books
[mit Richard White]
Falmer Press
Washington, London, 1994
Stupid Boys are Good to Relax With
Somerville House Publishing
Toronto, 1996
Böse Mädchen
Piper
München, 1997
Übersetzung: Heimo Mitterer
What Casanova Told Me
Knopf Canada
Toronto, 2004
Übersetzer: Barbara Jung, Heimo Mitterer