Susan Howe
- USA
- Zu Gast beim ilb: 2009
Susan Howe wurde 1937 in Boston, Massachusetts, geboren und wuchs im nahen Cambridge auf. Nach dem Schulbesuch ging sie nach Irland, woher ihre Mutter stammte, und lernte den Theaterbetrieb am Dubliner Gate Theatre kennen. 1961 machte sie ihren Abschluss in Malerei an der heimischen Boston Museum School of Fine Arts und ließ sich anschließend in New York nieder. Hier bewegte sie sich in den Kreisen der Künstler-Avantgarde und begann ihre Gemälde mit Wortlisten zu kombinieren.
1974 erschien ihr erster Gedichtband, »Hinge Picture« (Ü: Klappbild). Er beinhaltet experimentelle, stark formalisierte Wort- und Zitatcollagen mit biblischen, mythischen und märchenhaften Anklängen. Wie die meisten ihrer mehr als zwanzig Gedichtbände wurde er Jahre später in revidierter Fassung als Teil einer Sammlung neu aufgelegt. Die Prosafragmente von »Frame Structures« (Ü: Rahmenstrukturen), die das Vorwort des gleichnamigen Sammelbandes von 1996 bilden, verschränken autobiografische Kurzaufnahmen, Familien- und Landesgeschichte miteinander. Beide Werke zeigen auf verschiedene Weise Howes unverwechselbare Poetik als eine Art lyrische Geschichtsschreibung. Deren Ziel besteht nicht im Vermitteln einer historischen Wahrheit, sondern in der Annährung an das uneinholbare Phänomen der Vergangenheit. Die gebrochene, formal stark beschränkte Rede fängt gleichsam Echos der Geschichte auf, ohne sie zu einem homogenen Ganzen zu fügen.
Paradigmatisch ist das Bild des beinahe unleserlichen Manuskripts, das Howe in dem Gedichtband »Pierce-Arrow« (1999; Ü: Durchstech-Pfeil) benutzt. Die in das Buch integrierten Fotografien vom vernachlässigten Nachlass des Semiotikers und Philosophen Charles S. Peirce zeigen das Chaos seiner Gedanken über eine Ordnung der Sprache. I den Gedichten – in der Seitenmitte angeordnete Textblöcke – klingt die Arbeitsweise des Wissenschaftlers neben Details aus seiner Biografie an. Überraschende Querverweise öffnen die Texte zu Wissenschaftsgeschichte, Literatur und Mythos. Das Ungesagte ist ein essenzieller Bestandteil dieser lyrischen Sprache, wie auch Abstände und Lücken zwischen Worten und Textblöcken ein unverzichtbares Element des Schriftbildes ausmachen.
Howe veröffentlichte auch zwei viel beachtete literaturtheoretische Werke. »My Emily Dickinson« (1985) beschäftigt sich mit einer Dichterin, die großen Einfluss auf ihr eigenes Werk hatte. »The Birth-mark« (1993; Ü: Das Muttermal), eine Dekonstruktion des Wildnis-Begriffs in der amerikanischen Literaturgeschichte, wurde vom »Times Literary Supplement« zum International Book of the Year gekürt. Zu Howes weiteren Auszeichnungen gehören zwei American Book Awards der Before Columbus Foundation und ein Stipendium der Guggenheim Foundation. 1999 wurde die Dichterin in die American Academy of Arts and Sciences gewählt, ein Jahr später wurde sie Kanzlerin der Academy of American Poets. Howe lehrte von 1991 bis 2008 an der University at Buffalo, New York. Sie lebt in Guilford, Connecticut.
© internationales literaturfestival berlin
The Birth Mark
Wesleyan University Press
Middletown, 1993
Frame Structures: Early Poems 1974–1979
New Directions Publishing Corporation
New York, 1996
Pierce-Arrow
New Directions Publishing Corporation
New York, 1999
The Midnight
New Directions Publishing Corporation
New York, 2003
Souls of the Labadie Tract
New Directions Publishing Corporation
New York, 2007