Stefan Hertmans
Stefan Hertmans wurde 1951 in Gent geboren. Als Professor und Studienleiter an der Hochschule Gent fokussierte er sich bis 2010 u. a. auf Kunstkritik, Kontinentalphilosophie, Hermeneutik sowie Agogik. 2013 war er Visiting Professor an der Genter Universität. Er hielt Vorträge und Vorlesungen an renommierten Institutionen wie der Library of Congress in Washington, D.C., der Sorbonne oder der Universität von Mexiko.
Als einer der renommiertesten und einflussreichsten Autoren der niederländischen Sprache publizierte Hertmans neben mehreren Prosawerken über ein Dutzend Lyrikbände, diverse Essaysammlungen zu literaturkritischen, kulturgeschichtlichen und philosophischen Themen sowie eine Reihe von Theaterstücken. 1994 feierte sein erstes Bühnenstück »Kopnaad« am Kaaitheater in Brüssel unter der Regie von Jan Ritsema Premiere. Ironisch und symbolträchtig erzählt sein Roman »Naar Merelbeke« (1994; dt. »Amselbach«, 1996) eine phantasmagorisch verfremdete Kindheitsgeschichte, die im fließenden Übergang zwischen Wahrnehmung und Imagination ihre ganz eigene Logik entwickelt. »Steden« (1998; Ü: Städte) kontrastiert dezidiert subjektive Impressionen verschiedener europäischer Städte. In ebenso philosophischen wie intimen Episoden tritt Hertmans in einen stillen Dialog mit der urbanen Architektur und Historie. Sensibel erfasst er Stimmungen, folgt legendären Schriftstellern auf ihren Pfaden und preist die Stadt als Raum zutiefst menschlicher Kommunikation. In dem prämierten poetischen Zyklus »Goya als hond« (1999; Ü: Goya als Hund) erdichtet Hertmans Situationen während des Schaffensprozesses von ikonografischen Gemälden wie »Die Erschießung der Aufständischen« oder »Saturn«. Auch in seinem jüngsten, enthusiastisch rezipierten Buch »Oorlog en terpentijn« (2013; dt. »Der Himmel meines Großvaters«, 2014) kommt der Visualität eine wichtige Rolle zu. Hertmans rekonstruiert anhand hinterlassener Notizhefte und Tagebücher die Biografie seines Großvaters. Der eigenen Annäherung an die postum ergründeten Aufzeichnungen folgend, schildert er achronologisch Szenen aus einer Kindheit in Armut, traumatische Fronterlebnisse im Ersten Weltkrieg und nicht zuletzt die passionierte Hingabe zur Malerei. Fulminant überlagern sich private Lebensläufe mit zeitgeschichtlichen Umbrüchen, Text und Bild, Vergangenheit und Gegenwart. So fördert beispielsweise ein Ausflug mit seinem Sohn in die Londoner National Gallery verlorene Erinnerungen zutage – als der Autor in Velásquez’ »Venus vor dem Spiegel« eben jenes Bild wiederentdeckt, das sein Großvater einst reproduzierte. Die späte Einsicht in fremde Sehnsüchte bezeugt gleichermaßen den über Generationen bestehenden Drang künstlerischen Ausdrucks wie ein gegenseitiges Verständnis.
Hertmans wurde u. a. mit dem Arkprijs van het Vrije Woord (1989), dem Belgischen Staatspreis für Lyrik (1995), dem Ferdinand-Bordewijk-Preis (2002) und dem Preis der Königlichen Akademie für Niederländische Sprach- und Literaturwissenschaften (2008) prämiert. Zuletzt erhielt er den Flämischen Kulturpreis für Literatur (2013). Hertmans lebt in der Nähe von Brüssel.
Kiepenheuer Leipzig, 1996
[Ü: Kathrin Kötz]
StedenVerhalen onderweg
Meulenhoff Amsterdam, 1998
Goya als hond
Meulenhoff Amsterdam, 1999
Als op de eerste dag Roman in verhalen
Meulenhoff Amsterdam, 2001
Muziek voor de overtocht
De Bezige Bij
Amsterdam, 2005
Der Himmel meines Großvaters Hanser Berlin Berlin, 2014
[Ü: Ira Wilhelm]
Die Fremde
Hanser Berlin
Berlin, 2017
[Ü.: Ira Wilhelm]