Sergej Minajew
- Russland
- Zu Gast beim ilb: 2010
Sergej Minajew wurde 1975 in Moskau geboren. Er studierte Geschichte und machte Mitte der 1990er Jahre Karriere bei einer Weinimportfirma. Dabei tauchte er ein in die Welt der teuren Clubs und Luxusmarken und schrieb unter dem Eindruck von Christian Krachts »Faserland« seinen Debütroman »Duchless« (2006; dt. »Seelenkalt«, 2010). »Duchless« ist ein russisch-englisches Mischwort, mit dem Minajew einerseits auf die kritiklose Übernahme des amerikanischen Lebensstils seiner Generation anspielt, andererseits die Geistlosigkeit von Scheintätigkeiten hoch bezahlter Manager beim Namen nennt. Dieser Text über das schale und stumpfsinnige Leben eines Moskauer Finanzdirektors, der für die Vertretung eines französischen Gemüsekonservenkonzerns arbeitet und von Zynismus und Selbsthass getrieben wird, wurde in Russland zum Kultroman für die Generation der Dreißigjährigen: »Die sogenannten liberalen Werte, die wir für Riesenkohle im Westen eingekauft haben, sind beschissene billige Fälschung. Firlefanz, Glasperlen für Indianerhäuptlinge.« Minajew enthüllt die dubiose Geschäftspraxis des von Gier geprägten modernen Wirtschaftslebens und seziert die Moskauer Gesellschaft der Reichen und Schönen. Der rauen Wirklichkeit entspricht sein ruppiger Stil. Auch die folgenden Romane von Sergej Minajew sind in der Moskauer Businesswelt angesiedelt. In »Media sapiens« (2007) wird die Selbstaufgabe eines talentierten PR-Managers an seinen Beruf ihm letztlich zum Verhängnis. Da es ihm egal ist, für wen er arbeitet, wechselt er ständig die Seiten und entwickelt ausgeklügelte PR Konzepte bis hin zu einem »terroristischen Informationsanschlag«. Der 2008 erschienene Roman »The Tjolki. Povest’ o nenostojaščej ljubvi« (Ü: The Tussis. Erzählung über eine unechte Liebe) spielt im Milieu der Moskauer Jeunesse dorée. Der Protagonist unterhält zwei Beziehungen gleichzeitig, wobei er seine Freundinnen manipuliert und eigentlich nur an Vergnügungen in angesagten Nachtclubs, Restaurants und luxuriösen Schlafzimmern interessiert ist, bis sich sein Leben unvermittelt in einen Thriller verwandelt. Dieser Roman gehört mit »Duchless« zu einer Trilogie, dessen dritter Teil »R.A.B.« 2009 erschien und als Antikrisenroman bezeichnet wird. In diesem Text zeigt Minajew seine lyrische Seite und erzählt die traurigschöne Geschichte eines Mittelständlers, der mit den Widrigkeiten des Lebens kämpft. Sergej Minajew ist auch Publizist und Verleger (u. a. von Christian Kracht und Frédéric Beigbeder) und moderiert seit 2009 für den russischen Fernsehsender NTW die Sendung »Čestnyj ponedel’nik« (Ü: Der ehrliche Montag). Minajew lebt in Moskau.
Media sapiens. Povest’ o
tret’em sroke
AST
Moskau, 2007
The Tjolki. Povest’ o
nenostojaščej ljubvi
AST
Moskau, 2008
R.A.B. Antikrizisnyj roman
AST
Moskau, 2009
Seelenkalt
Heyne
München, 2010
[Ü: Ingolf Hoppmann, Olga
Kouvchinnikova]