Sayed Kashua
- Israel
- Zu Gast beim ilb: 2009, 2012
Sayed Kashua wurde 1975 in Tira, Israel, geboren. Er studierte Soziologie und Philosophie an der Hebrew University of Jerusalem. Kashua ist Kolumnist und Filmkritiker für die israelischen Zeitungen »Haaretz« und »Ha’ir« und schreibt Drehbücher für die Sitcom »Avoda Aravit« (Ü: Arabische Arbeit).
Als israelischer Staatsbürger arabisch-palästinensischer Herkunft schreibt Kashua, auf Hebräisch, über die gesellschaftlichen und kulturellen Probleme seiner Bevölkerungsgruppe. Bereits in seinem Erstlingsroman »Arāvîm rôqedîm« (dt. »Tanzende Araber«, 2002) erzählt er vom gescheiterten Versuch eines jungen israelischen Palästinensers, in der jüdischen Gesellschaft angenommen zu werden. Als einziger Araber in einer Internatsklasse jüdischer Kinder versucht sich der Protagonist an deren Lebensweise anzupassen und scheitert dabei kläglich. Weder in der arabischen noch in der jüdischen Welt findet der Junge ein Zuhause. Mit »trockenem Sarkasmus und komischem Zorn«, so ein Kritiker, erzählt Kashua von den verzweifelten Bemühungen des Protagonisten, sich zu integrieren. Durch seine ironische, teilsweise absurde Erzählweise schafft es Kashua, den alltäglichen Konflikt besonders realistisch darzustellen. Er wird damit zum Sprachrohr einer ganzen Generation junger arabischer Israelis, die soziale Anerkennung und Gleichberechtigung gegenüber der jüdischen Mehrheit fordern. In seinem zweiten Roman »Way-yehî bôqer« (dt. »Da ward es Morgen«, 2005) begibt sich ein arabisch-israelischer Journalist zurück in sein arabisches Heimatdorf in der Nähe von Jerusalem. In der Mitte Israels hat sich hier eine Art Parallelwelt entwickelt. Die Bewohner fühlen sich als Außenseiter, leben isoliert, gehören aber doch eigentlich zu dem Land, das sie umgibt. Dann wird das Dorf zum Schauplatz der Friedensverhandlungen: Vom israelischen Militär eingekesselt, werden die Bewohner unter Arrest gestellt und das Dorf wird den arabischen Gebieten zugeordnet. Kashua führt dem Leser hier die prekäre Situation der arabischen Israelis besonders deutlich vor Augen: Von der Gesellschaft vergessen, zu der sie doch eigentlich gehören möchten, werden zudem die aktuellen politischen Auseinandersetzungen auf ihrem Rücken ausgetragen. Auch in Sayed Kashuas jüngstem Werk »Guf sheni yaḥid« (dt. »Zweite Person Singular«, 2011) geht es um die Identitätsprobleme arabischer Israelis. Ein gut situierter Anwalt und der Sozialarbeiter Amir ringen beide um die Zugehörigkeit zur jüdischen Gesellschaft. Der Anwalt versucht dies durch Statussymbole und einen gehobenen Lebensstil. Amir, von regelrechten Minderwertigkeitskomplexen getrieben, eignet sich die Identität eines jungen jüdischen Mannes an, den er, nach einem Selbstmordversuch schwer behindert, pflegt. Beide Figuren sind in ihrer Identität zerrissen und stehen stellvertretend für die Schwierigkeiten und Widersprüche der arabischen Minderheitsgesellschaft im heutigen Israel.
Sayed Kashua lebt im palästinensischen Teil von Beit Safafa, einem Dorf in der Nähe von Jerusalem.
@ internationales literaturfestival berlin
Tanzende Araber
Berlin Verlag
Berlin, 2002
[Ü: Mirjam Pressler]
Da ward es Morgen
Berlin Verlag
Berlin, 2005
[Ü: Mirjam Pressler]
Zweite Person Singular
Berlin Verlag
Berlin, 2011
[Ü: Mirjam Pressler]