Salim Bachi
- Algerien, Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2006
Salim Bachi wurde 1971 in Algier geboren und wuchs im ost-algerischen Annaba auf. Er studierte in beiden Städten und an der Sorbonne Französische Sprache und Literatur. Seit 1997 lebt er in Paris. Bachi debütierte mit Kurzgeschichten, die in verschiedenen Zeitungen wie »Le Monde diplomatique« veröffentlicht wurden. Bereits mit seinem ersten, dreifach ausgezeichneten Roman »Le Chien d’Ulysse« (2001; dt. »Der Hund des Odysseus«, 2003) erwies sich Bachi als bedeutender Vertreter der aufstrebenden Literatur des modernen Maghreb. Handlungsort ist die fiktive, für Algerien archetypische Stadt Kirtha, die mit ihrem Namen auf die alte numidische Hauptstadt und auf die vielfältige Geschichte Nordafrikas seit der römischen Kolonisation verweist. Wie James Joyce’ »Ulysses«, dessen Strukturprinzip der Roman aufgreift, trägt sich die anspielungsreiche Handlung an einem einzigen Tag zu, und zwar am vierten Jahrestag der Ermordung des algerischen Präsidenten Boudiaf im Jahr 1992, als die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Islamisten im algerischen Bürgerkrieg auf ihren Höhepunkt zusteuerten. Der nächtliche Irrgang eines Literaturstudenten, seine Träume und Phantasien ebenso wie die Lebensgeschichten seiner Freunde und Bekannten zeigen die Orientierungslosigkeit einer Generation, für die alle Werte in Gewalt und Elend verloren gegangen sind. Ohne Stellung für eine der Parteien zu beziehen, entwirft der multiperspektivische Roman ein bisweilen ironisches Gesellschaftsbild und kann bezeichnenderweise in Algerien nicht verkauft werden, obwohl er offiziell nicht verboten ist.
Mit der Kolonialzeit beschreibt Bachi den Vorläufer des heutigen Algerien in seinem zweiten Roman, »La Kahéna« (2003; dt. »Villa Kahéna«, 2006). Im Zentrum steht das wiederum in der fiktiven Stadt Kirtha errichtete Haus eines Siedlers aus Malta. Dieser bringt es nach einem abenteuerlichen Abstecher nach Cayenne und in den brasilianischen Urwald zwar zu Reichtum und Ehren in der französischen Kolonie, gerät aber gegen Ende seines Lebens zwischen die Fronten der Kolonialmacht und der nach Unabhängigkeit strebenden algerischen Bevölkerung. Wie auch in Bachis folgenden Werken wird hier Geschichte zur Orientierungsmöglichkeit für die Zukunft. »Die Erinnerung kann eine Krankheit sein, eine Last, aber die Erinnerung zu hassen bedeutet, in Barbarei zu verfallen. Man darf Erinnerung nicht fixieren und das Risiko eingehen, dass sie sich in einen Mythos verwandelt, aber man darf sie aus dem gleichen Grund auch nicht verstecken.«
Bachis Roman, »Tuez-les tous« (2006; Ü: Bringt sie alle um), beleuchtet am Beispiel eines der Attentäter vom 11. September die sozialen und politischen Hintergründe des islamistischen Fundamentalismus und schildert ihn als mörderischen Ausweg aus dem Dilemma der modernen arabischen Welt, die den Westen gleichzeitig bewundert und verachtet.
Der Autor wurde mit dem Prix Goncourt du premier roman, der Bourse Prince Pierre de Monaco de la découverte, dem Prix littéraire de la vocation der Fondation Marcel Bleustein-Blanchet und dem Prix Tropiques ausgezeichnet. Er war Stipendiat der Villa Medici in Rom und lebt in Paris.
© internationales literaturfestival berlin
Der Hund des Odysseus
Lenos-Verlag
Basel, 2002
[Ü: Michael von Killisch-Horn]
Tuez-les tous
Gallimard
Paris, 2005
Autoportrait avec Grenade
Ed. du Rocher
Monaco, 2005
Villa Kahéna
Lenos-Verlag
Basel, 2006
[Ü: Regula Renschler]
Les Douze Contes de minuit
Gallimard
Paris 2007
Le Silence de Mahomet
Gallimard
Paris 2008