Salah Stétié wurde 1929 in Beirut, Libanon, geboren. Bereits in jungen Jahren wurde er von seinem Vater, der selbst Gedichte schrieb, an den spielerischen Umgang mit Sprache herangeführt. Die Ursprünge seines dichterischen Schaffens lassen sich in seiner Geburtsstadt, der Kreuzung zwischen arabischer und europäischer Zivilisation, wiederfinden. Sein Bedürfnis nach gegenseitiger Inspiration beider Kulturen veranlaßte ihn dazu, auf Französisch zu schreiben, obwohl Arabisch seine Muttersprache war. Er setzte sich dadurch dem Druck der islamischen „Integristen“ aus, die besonders in den Jahren zwischen 1950 – 1960 ein Wiederaufleben der arabischen Kultur forderten und für die das Aufgeben der eigenen Sprache mit dem Verlust der Identität gleichzusetzen war. Dessen unbeirrt studierte Stétié sowohl in Beirut wie in Paris Literatur und Jura. In den sechziger Jahren gründete er „l’orient littéraire“, eine in Beirut in französischer Sprache erscheinende Kulturzeitschrift. Die hierbei aufgenommene Vermittlerrolle zwischen beiden Kulturen zieht sich durch sein gesamtes Leben. So war er neben seiner Tätigkeit als Diplomat in Paris, Botschafter in Marokko und den Niederlanden auch Generalsekretär des Außenministeriums in Libanon und nicht zuletzt Delegierter der UNESCO. In seinem 1972 erschienenen Essay „Les Porteurs de feu“, für den er den „Prix de l’amitié franco-arabe“, den Preis der französisch-arabischen Freundschaft erhielt, widmet sich Stétié den spirituellen Wurzeln der arabischen Welt und fragt nach ihrer möglichen Zukunft. 1994 veröffentlichte er „Liban plurielle“, in dem er das Spezifische und zugleich das in der Vielfalt Unbestimmte der libanesischen Kultur beschreibt. Doch nicht nur inhaltlich läßt sich die arabische Kultur in Stétiés Werken wiederfinden. Salah Stétié ist der erste Dichter arabischer Herkunft, der seine Texte in französischer Sprache veröffentlichte. Im Prozess des Schreibens entsteht eine neue Sprache: das „Françarabe“, bei der die Gliederung und viele etymologische Wurzeln dem Arabischen entliehen sind, die Wörter jedoch aus dem Französischen stammen. Die Musikalität seiner Gedichte läßt sich auf die Tradition arabischer Gedichte zurückführen, die mit ihrer ausgeprägten Rhythmik ein hohes Maß an Kantabilität erreichen. Nicht verwunderlich also, daß die Reflektion über Sprache in seinem Werk einen bedeutenden Stellenwert findet. Sein 2001 erschienener Text „Le Français, l’autre langue“ ist eine Hommage auf die französische Sprache. Der Essay ist jedoch weit mehr als eine pure Frankophilie, da Stétié „eine“ Sprache nicht als Singularität versteht, sondern vielmehr die Sprache im französischen Gebrauch an sich meint. 1995 wurde der Lyriker mit dem „Grand Prix de la Francophonie“ von der „Académie française“ für sein Gesamtwerk gewürdigt. Dieses zählt an die fünfzig Werke, die in fünfzehn Sprachen übersetzt wurden. Stétié lebt heute in Frankreich, wo er als Dichter, Essayist und Kunstkritiker arbeitet.
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