Russell Banks wurde 1940 in Newton, Massachusetts, geboren und wuchs in New Hampshire auf. Er entstammt der Arbeiterklasse und besuchte als erster aus seiner Familie die Universität. Neben seinem Studium malte er und arbeitete als Schuhverkäufer und Klempner. Im Alter von 35 Jahren veröffentlichte er sein erstes Buch. Daneben erschienen seine Kurzgeschichten und Essays in Zeitschriften wie »Vanity Fair«, »The New York Times Book Review«, »Esquire« und »Harper’s«. Er unterrichtete an verschiedenen Universitäten, zuletzt in Princeton.
Banks’ Geschichten sind häufig in dem Milieu angesiedelt, aus dem er stammt. Im Mittelpunkt stehen starke Persönlichkeiten, deren Idealismus sie oftmals zu extremen Handlungen verleitet. Zartgefühl und Grausamkeit liegen hier eng beieinander, was Banks in bester amerikanischer Erzähltradition realistisch, authentisch und spannend darstellt. Dabei geben die Geschichten mit Mitgefühl und Humor dem beschränkten Ausdrucksvermögen der Protagonisten eine differenzierte Stimme und entfalten ihre unaufdringlich moralische Wirkung. 1995 erschien »Rule of the Bone« (dt. »Gangsta Bone«, 1996), eine Art Entwicklungsroman in der Tradition von Twains »Huckleberry Finn« und Salingers »Catcher in the Rye«. Die jugendliche Hauptfigur ist ein drogensüchtiger Kleinkrimineller, der sich sehnsüchtig nach besseren Verhältnissen gegen die Verkommenheit auflehnt, die ihn umgibt und ihm keine Chance zu geben scheint. In epischem Monolog und stilsicher eingesetztem Jugendslang wird berichtet, wie er Posen ausprobiert, Phasen durchläuft und prägende Bekanntschaften macht, bis seine Getriebenheit von erwachsener Selbstbestimmung abgelöst wird. Weniger optimistisch endet der Roman »Cloudsplitter« (1998; dt. »John Brown, mein Vater«, 2000), der einen amerikanischen Mythos bearbeitet. John Brown – Michael Kohlhaas ähnlich und wie dieser eine historische Figur – war ein religiös motivierter Gegner der Sklaverei, der vom Aktivisten zum militanten Fanatiker wurde. Nach einem selbstmörderischen Überfall auf ein Munitionsdepot in den Südstaaten, der einen Sklavenaufstand auslösen sollte, wurde er hingerichtet. Erzählt wird aus der Perspektive des zweiflerischen Sohnes, der ein ambivalentes Verhältnis zu seinem tyrannischen Vater hat.
Zwei von Banks’ Romanen, »The Sweet Hereafter« (1991; dt. »Das süße Jenseits«, 1998) und »Affliction« (1989; dt. »Der Gejagte«, 1990), wurden bereits erfolgreich verfilmt. Die Filmversionen von »Continental Drift« (1985; dt. »Gegenströmung«, 1987) und »Rule of the Bone« sind in Vorbereitung. Banks, dessen Werke in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurden, erhielt zahlreiche Preise, darunter den John Dos Passos Award und den Literaturpreis der American Academy of Arts and Letters. Er war vier Jahre lang Präsident des International Parliament of Writers, das sich besonders für verfolgte Schriftsteller einsetzte, und ist seit 2004 New York State Author. Sein bislang letzter Roman, »The Darling«, erschien 2004. Er lebt in Keene, New York, und Saratoga Springs.
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