Roberto Saviano
Roberto Saviano wurde 1979 in Neapel geboren. Nach seinem Studium der Philosophie an der Università Federico II begann er als Journalist zu arbeiten und schrieb für die Wochenzeitung »L’Espresso« und im alternativen Blog »Nazione Indiana«. Er ist Mitglied des Osservatorio sulla Camorra et l’Illegalità, einer Organisation, die sich um die Erforschung des Phänomens Camorra und um Aufklärung über deren Aktivitäten bemüht.
In seinen Artikeln und Reportagen beschäftigt sich Saviano hauptsächlich mit den Machenschaften der Camorra, einem mächtigen Zusammenschluss verschiedener Clans, deren Einflussbereich längst über Neapel und die umliegende Region hinausreicht. Im Mai 2006 erschien sein Buch »Gomorra – Viaggio Nell’impero Economico E Nel Sogno Di Dominio Della Camorra« (dt. »Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra«, 2007), eine Mischform aus Roman und Reportage, das 2008 verfilmt wurde. Vier Monate später nannte er bei einer Anti-Camorra-Veranstaltung die großen Camorristi mit Namen – ein Tabubruch, auch wenn deren Identitäten und Verbrechen allseits bekannt sind.
Tatsächlich demaskierte Saviano als erster – mit Präzision und einer Wut, die sich aus der eigenen Erfahrung nährt – offen und mit literarischer Bravour die Verbindungen, die zwischen der Verbrecherorganisation, einzelnen Wirtschaftszweigen und der lokalen Politik bestehen. Trotz seiner leidenschaftlichen, anklagenden Haltung ist der Stil aller seiner Texte außerordentlich sachlich. Namen, Uhrzeiten, Orte und Handlungen sind akribisch dokumentiert. Saviano versteht seine Arbeit als ständige Suche nach den versteckten Machtmechanismen der Gesellschaften unserer Zeit. Wie sein Vorbild Nick Tosches stellt er diese nie auf rein abstrakter Ebene dar. Anhand von persönlichen Geschichten und Begegnungen verdeutlicht Saviano, wie die Gesetze des freien Marktes den Geschäften der neapolitanischen Camorra zugute kommen. Dabei stellt er immer wieder überraschende und entlarvende Zusammenhänge her, wie zum Beispiel zwischen den illegalen Fabriken Neapels, dem süditalienischen Müllproblem und einem Galakleid von Angelina Jolie.
Dem Verkaufserfolg seines Werkes folgte die literarische Anerkennung u.a. durch die Verleihung des renommierten Premio Viareggio. Doch Savianos Wahrheitsliebe kommt ihn mittlerweile teuer zu stehen. In einem Klima, das durch Angst, Idealisierung und Selbststilisierung der Gangster zu Pophelden geprägt ist, wird Kritik an der Camorra – nach dem Staat der größte Arbeitgeber der Region – auch außerhalb ihrer Kreise nicht gern gesehen. Seit September 2006 erhält der Schriftsteller Morddrohungen. Umberto Ecos Appell an den italienischen Staat, seine Künstler zu schützen und endlich mit dem organisierten Verbrechen aufzuräumen, war bis auf die Gewährung von Personenschutz für Saviano wirkungslos. Der Autor lebt nicht mehr in Neapel, sondern an einem geheimen Aufenthaltsort.
© internationales literaturfestival berlin
Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra
Hanser
München, 2007
[Ü: Friederike Hausmann, Rita Seuß]
Übersetzer: Friederike Hausmann, Rita Seuß