Robert Bober
- Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2002
als Kind polnischer Juden in Berlin geboren. 1933 emigrierte seine Familie nach Frankreich, wo sie dank einer Vorwarnung die Razzia des „Vélodrome d’Hiver“ im Juli 1942 überlebte. Mit sechzehn Jahren begann Bober eine Schneiderlehre und war bis 1953 als Näher und Zuschneider tätig. Danach arbeitete er als Erzieher in Ferienheimen und führte therapeutische Projekte mit psychisch Kranken durch, darunter auch Kinder, die im Krieg jegliche soziale Anbindung verloren hatten. In den fünfziger Jahren lernte Bober den Regisseur François Truffaut kennen und wurde dessen Assistent bei den Filmen „Tirez sur le pianiste“ (1960) und „Jules et Jim“ (1962). 1967 entstand sein erster eigener Dokumentarfilm für das Fernsehen. Heute gilt Bober als einer der renommiertesten Dokumentarfilmer Frankreichs. In den sechziger und siebziger Jahren setzten sich seine Fernsehdokumentationen thematisch vor allem mit der unmittelbaren Nachkriegszeit und den Folgen des Holocaust auseinander. Dabei entstanden Filme wie: „La génération d´aprés“ (1971) und „Réfugié provenant d´Allemagne, apatride d´origine polonaise“ (1976), der sich mit dem Schicksal geflohener deutscher Juden polnischer Abstammung in Frankreich beschäftigt. Seit den achtziger Jahren stehen in Zusammenarbeit mit Pierre Dumayet Autorenportraits im Vordergrund seines Schaffens, so zum Beispiel Filme über Paul Valery, Flaubert, und George Perec, mit dem Bober befreundet war. Zusammen mit Georges Perec, einem der Vorreiter des „Nouveau Roman“, drehte er 1979 „Ellis Island Tales“, einen Film über die frühere Hauptanlaufstelle für europäische Immigranten in den Vereinigten Staaten. 1993 erschien Bobers Debütroman „Quoi de neuf sur la guerre?“, für den er den begehrten „Prix du Livre Inter“ erhielt und der 1995 auf deutsch unter dem Titel „Was gibt’s Neues vom Krieg?“ veröffentlicht wurde. Im ersten Nachkriegsjahr in einer jüdischen Pariser Schneiderei angesiedelt, lässt Bober in scheinbar leichtem, fast heiterem Ton eine Handvoll vom Krieg gezeichneter Überlebender die Geschichte ihrer Rettung erzählen. Der zweite Roman Bobers, „Berg et Beck“, erschien 1999 und ist seit 2000 auch in deutscher Übersetzung erhältlich. Er knüpft thematisch an das Debüt an: Der Autor erzählt darin die Geschichte überlebender Kinder von deportierten Juden in den frühen fünfziger Jahren, ihrer Kriegstraumata und ihrer Strategien, den Verlust jeder Bezugsperson zu überleben. Die Romane des in Paris lebenden Autors halten die Erinnerung an die Shoah und den Krieg wach, ohne die Schrecken in ein grelles Licht vorgefertigter Paradigma zu zerren. Auf unspektakuläre Weise, fast beiläufig und in einer schnörkellosen und schlichten Sprache lässt Bober in seinen Figuren die noch frischen Erinnerungen an Konzentrationslager und die Greuel des Holocaust auf einen langsam wiederkehrenden Alltag treffen. „Es gibt einen Moment“, so Bober, „wo das Schreiben das Erinnern nicht ersetzen, sondern fortsetzen soll. (…) Je zugespitzter eine Situation ist, desto schmerzhafter ist sie und desto mehr muß man das Pathos meiden.“
© internationales literaturfestival berlin
Was gibt´s Neues vom Krieg?
Antje Kunstmann
München, 1995
Übersetzung: Tobias Scheffel
Geschichten von Ellis Island
Wagenbach
Berlin, 1997
Übersetzung: Eugen Helmlé
Berg und Beck
Antje Kunstmann
München, 2000
Übersetzung: Tobias Scheffel
Quoi de neuf sur la guerre?
Gallimard
Paris, 2001
Laissées-pour-compte
P.O.L
Paris, 2005
Übersetzer: Eugen Helmé, Tobias Scheffel