Richard Wagner
- Deutschland, Rumänien
- Zu Gast beim ilb: 2003, 2005, 2008
Richard Wagner wurde 1952 in Lowrin, im rumänischen Banat, geboren. Er studierte Rumänistik und Germanistik in Temeswar. Anschließend arbeitete er zunächst als Deutschlehrer und später als Journalist in Siebenbürgen – u.a. für die Wochenzeitung »Karpaten-Rundschau«. Er war Gründungsmitglied der Aktionsgruppe Banat, einer literarisch-politischen Autorengruppe, die 1975 vom rumänischen Geheimdienst aufgelöst wurde. Nach einem Arbeits- und Publikationsverbot emigrierte er nach West-Berlin.
Wagner hatte 1973 mit dem Gedichtbuch »Klartext« debütiert, dem bis heute sechs weitere Lyrikbände folgten. In seinen Erzählungen, Romanen und seit den neunziger Jahren zunehmend in Essays setzt er sich mit den politischen Verhältnissen seines Heimatlandes, dem Schicksal der Rumäniendeutschen, dem Balkan, dem wiedervereinigten Deutschland und dessen Rolle im europäischen Kontext auseinander. Hier zeigt er sich als aufmerksamer und illusionsloser Beobachter, der so leidenschaftlich und einfühlsam wie lakonisch die Verbindungen zwischen Privatem und Politischem ausleuchtet und dabei melancholische, polemische und ironische Tönen verbindet.
Die autobiografisch gefärbte Erzählung »Ausreiseantrag« (1988) verweist schon im Titel auf die Konsequenz aus dem Alltag in der kommunistischen Diktatur Rumäniens, die bis in die Tiefen der Psyche dringt, die Sprache okkupiert und missbraucht. Vergangenheit und Gegenwart verschränkt der Roman »Habseligkeiten« (2004). Er erzählt eine rumäniendeutsche Familiengeschichte, die von zweihundert Jahren steten Umherziehens geprägt ist – ein »Heimatroman ohne Heimat«, wie Ralf Berhorst schrieb. Nach einer Reihe von Berlin-Romanen, die moderne Großstadtmenschen in ihrer Rastlosigkeit und Beziehungsunfähigkeit bzw. -unwilligkeit zeigen, wurde zuletzt Wagners Roman »Das reiche Mädchen« (2007) veröffentlicht. Er beschreibt eine Beziehung zwischen einer deutschen Wissenschaftlerin und einem serbischen Flüchtling, die an den Schuldgefühlen der Frau, deren Familie sich während des Nationalsozialismus bereichert hat, und an unüberbrückbaren kulturellen Differenzen scheitert.
Wagner nahm damit ein Thema aus seinem jüngsten Essayband, »Der deutsche Horizont« (2006), auf, in dem er argumentiert, dass die Überwindung der Vergangenheit eine Notwendigkeit darstelle: »Die Gefahren für Deutschland bestehen nicht in der Rückkehr seiner Vergangenheit, sie bestehen im Verfehlen der Gegenwart. …Wir müssen neu lernen, uns als Teil des europäischen Kulturkreises zu begreifen.«
Zu den zahlreichen Preisen des Autors zählen der Leonce-und-Lena-Preis, der Andreas-Gryphius-Preis, der Deutsche Sprachpreis und der Rom-Preis der Deutschen Akademie Villa Massimo. 2008 wurde Wagner mit dem Georg Dehio-Buchpreis ausgezeichnet, der ihm im Rahmen des achten internationalen literaturfestivals berlin überreicht wird. Er lebt in Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
Klartext
Albatros
Bukarest, 1973
Anna und die Uhren
Luchterhand
Darmstadt, 1981
Rostregen
Luchterhand
Darmstadt, 1986
Ausreiseantrag
Luchterhand
Frankfurt/Main, 1988
Begrüßungsgeld
Luchterhand
Frankfurt/Main, 1989
Der Sturz des Tyrannen
Rohwohlt,
Berlin, 1990
Giancarlos Koffer
Rotbuch
Berlin, 1993
Habseligkeiten
Aufbau
Berlin, 2004
Der deutsche Horizont
Aufbau
Berlin, 2006
Das reiche Mädchen
Aufbau
Berlin, 2007