Raba’i Al Madhoun
Rabai al-Madhoun wurde 1945 in al Majdal, Aschkelon nördlich des heutigen Gaza-Streifens geboren. Während des Palästinakriegs 1948 verließ die palästinensische Familie Aschkelon in Richtung Gaza-Streifen, dort ließ sie sich in Chan Yunis nieder. Al-Madhoun studierte in Kairo und Alexandria, wurde allerdings 1970 aufgrund seines politischen Engagements aus Ägypten ausgewiesen. In dieser Zeit war er Mitglied der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas.
Al-Madhouns erste Veröffentlichung war der Kurzgeschichtenband »The Idiot of Khan Younis« (1977; Ü: Der Idiot von Chan Yunis). 2001 folgte der autobiografische Roman »The Taste of Separation« (Ü: Der Geschmack der Trennung), der die Geschicke einer palästinensischen Familie über drei Generationen hinweg verfolgt. Große Beachtung fand sein 2009 veröffentlichter Roman »The Lady from Tel Aviv« (Ü: Die Lady aus Tel Aviv), der 2010 auf die Shortlist des International Prize for Arabic Fiction gesetzt wurde. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der palästinensische Schriftsteller Walid Dahman, der sich nach fast vierzigjährigem Exil in London auf den Weg nach Gaza macht, um seine Mutter, seine Familie, seine Freunde, seine Heimat wiederzusehen. Auf dem Flug nach Israel lernt er die israelische Schauspielerin Dana Ahova kennen, und die beiden kommen ins Gespräch. Dabei tritt die Kluft zutage, die das Land prägt, das beide ihre Heimat nennen. In dem Roman schildert der Autor aus unterschiedlichen Perspektiven unsentimental und mit schwarzem Humor die Folgen von Besatzung auf die Menschen und die politischen Realitäten auf beiden Seiten der Checkpoints. 2015 erschien »Destinies: The Concerto of The Holocaust and The Nakba« (Ü: Schicksale. Konzert über den Holocaust und die Nakba). Der Roman, unterteilt in vier Abschnitte, übernimmt dabei die viersätzige Struktur der klassischen Symphonie. Jeder Satz behandelt ein Thema: vom Holocaust über die Nakba – die Vertreibung der Palästinenser aus ihrem angestammten Gebiet – bis hin zum Leben in Israel sowie im Exil und die Rückkehr in die Heimat. Es entsteht so ein polyfones Geflecht, das formal ungewöhnliche Wege geht. Für den Roman wurde al-Madhoun 2016 als erster Palästinenser mit dem prestigeträchtigen Prize for Arabic Fiction ausgezeichnet. Al-Madhouns Werk hebt sich von einem Großteil der palästinensischen Literatur dadurch ab, dass er ohne Bitterkeit und Selbstmitleid über das Schicksal seiner Landsleute schreibt. Auch vermeidet er es, allein die Nakba zu beklagen und israelische Verbrechen zu geißeln, obgleich der Roman in hohem Maße politisch ist. Großen Wert legt er auf die formale Gestaltung seiner Texte wie auch auf seine Sprache, die sich durch eine schlanke Klarheit auszeichnet.
Al-Madhoun, der auch die britische Staatsangehörigkeit besitzt, arbeitet außerdem für »Asharq Al-Awsat«, eine der größten arabischsprachigen Tageszeitungen, die ihren Hauptsitz an der Themse hat. Er lebt in London.
The Lady from Tel Aviv
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London, 2013
[Ü: Elliott Colla]