Peter Stamm
Peter Stamm wurde 1963 in Weinfelden, im schweizerischen Kanton Thurgau, geboren. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und studierte einige Semester Anglistik, Wirtschaftsinformatik, Psychologie und Psychopathologie. Anschließend arbeitete er als Journalist u.a. für die »Neue Zürcher Zeitung«, die »Weltwoche« sowie das Satiremagazin »Nebelspalter« und verfasste Hörspiele, von denen mehrere ausgezeichnet wurden. 1998 erschien sein vielbeachtetes Debüt, der Roman »Agnes«, der bislang in 15 Sprachen übersetzt wurde. Mit seinen seither in rascher Folge veröffentlichten Büchern hat er sich inzwischen fest in der deutschsprachigen Literatur etabliert.
Stamm steht in der Tradition von Tschechow und Camus und den angelsächsischen Erzählern Carver, Ford und Hemingway. Wie diese folgt er der poetologischen Maxime, Erklärungen aus dem Erzählten fernzuhalten und Bilder und Dialoge für sich selbst sprechen zu lassen. »Ganz viel in meinen Büchern geschieht über Wahrnehmung oder über die Beschreibung von Wahrnehmungen. Dass nicht einfach geschrieben wird, so ist es, sondern so nehme ich das wahr. Ich denke, das macht bis zu einem gewissen Punkt die Lebendigkeit eines Textes aus, dass beim Leser Sinneseindrücke ankommen. Ich schreibe nicht: ›Er nimmt das Telefon ab‹, sondern ich schreibe: ›Das Klingeln hört auf‹. Und dann muss der Leser sich die Arbeit machen: Entweder ist das Telefon abgenommen worden oder es hat zu klingeln aufgehört.« 1999 erschien der Erzählband »Blitzeis«, zwei Jahre später wurde der zweite Roman »Ungefähre Landschaft« veröffentlicht. Dessen Protagonistin ist wie alle Stammschen Hauptfiguren in sich gekehrt, vorsichtig sehnsüchtig und gedämpft illusionslos. Ohne übermäßig enttäuscht zu sein, akzeptiert sie das Misslingen ihrer zweiten Ehe und reist ohne Hoffnungen einem anderen Mann hinterher. Anders als in Stamms Erstling endet die Geschichte hier bei einer positiven Lebenswendung. Die letzten Sätze evozieren ein stilles Glück im Alltag, an der Seite eines dritten Mannes.
Das Ausbleiben bedeutender Ereignisse verbindet Stamm mit einer eindrücklich verknappten Sprache, die nahezu ausschließlich mit Hauptsätzen und mit wenigen, einfachen Verben und Adjektiven auskommt. Diese Kargheit gibt den Blick auf die Besonderheiten des Erzählten frei: auf Verweise, Tempomodulationen und auf das Spiel mit den Erwartungen des Lesers. In der Erzählung »Die ganze Nacht« aus dem Band »In fremden Gärten« (2003) bleiben diejenigen Sätze unausgesprochen, auf die der Autor den Leser neugierig gemacht hatte. Die Titelgeschichte bricht schon ab, bevor jede Erwartung des Lesers erfüllt oder enttäuscht wird. Das unerwartete Happy End in seinem jüngsten Roman „An einem Tag wie diesem“ (2006) irritierte einige Kritiker. Erzählt wird die Geschichte von Andreas, der sich nach zwanzig Jahren Monotonie und Einsamkeit auf eine Reise in seine Vergangenheit begibt: Aufgrund einer Erkrankung offenbart er sich Fabienne, seiner große Liebe, die einst seinen besten Freund heiratete.
Peter Stamm, der auch als Übersetzer tätig ist, erhielt verschiedene Literatur pr eise und Stipendien. Seine Theaterstücke – gesammelt unter dem Titel »Der Kuss des Kohaku« (2004) – wurden an den Schauspielhäusern von Zürich und Hamburg sowie in Saarbrücken, Osnabrück und Luzern aufgeführt. 2004 erschien sein Kinderbuch »Warum wir vor der Stadt wohnen«. Neben Aufenthalten in New York, London, Paris und Berlin begab sich Stamm auch zu Lesereisen u.a. nach Mexiko und Russland. Er lebt im schweizerischen Winterthur.
© internationales literaturfestival berlin
Agnes
Arche
Zürich, 1998
Blitzeis
Arche
Zürich, 1999
Ungefähre Landschaft
Arche
Zürich, 2001
In fremden Gärten
Arche
Zürich, 2003
Der Kuss des Kohaku
Arche
Zürich, 2004
Warum wir vor der Stadt wohnen
[mit Jutta Bauer]
Beltz & Gelberg
Weinheim, 2005
An einem Tag wie diesem
Fischer
Frankfurt/Main, 2006