Péter Farkas
- Ungarn
- Zu Gast beim ilb: 2013
Péter Farkas wurde 1955 in Budapest geboren. An der dortigen Pädagogischen Hochschule studierte er Literatur, Geschichte und Pädagogik. Den jeweiligen Gegenstand jener Fachrichtungen identifizierte er allerdings in der autobiografischen Rückschau als »unterdrückt, verfälscht, paternalistisch-faschistoid«. Das dichterische Bestreben war in ihm ebenso tief verankert wie das Misstrauen gegenüber der kommunistischen Gewaltherrschaft: »Sehr früh schon wurde mir bewusst, dass ich einem Land lebte, in dem die gerade aktuellen Machthaber und ihre Handlanger in erster Linie damit beschäftigt waren, meine Familienmitglieder auszulöschen«, so Farkas. Nach fünf Semestern brach er das Studium ab, engagierte sich in der demokratischen politischen Opposition und gab u. a. den im Samisdat erschienenen Band »Túlpartrol« (1979; Ü: Vom anderen Ufer) heraus. 1982 emigrierte er schließlich nach Deutschland; zunächst nach Aachen, später nach Köln, wo er den Verlag IL (Irodalmi Levelek; Ü: Literarische Briefe) gründete. Darin verlegte er eine gleichnamige belletristische Reihe in ungarischer Sprache, zu deren Autoren u. a. György Konrád und Béla Szász zählten, wie auch aufwendig gestaltete Kunsteditionen, so zum Beispiel das »Bildmanifest« zum »Orgien-Mysterien-Theater« von Hermann Nitsch. Außerdem initiierte er die Humane Gesellschaft für geistige Nekrophilie, in deren Rahmen er zahlreiche künstlerische Veranstaltungen organisierte. Farkas arbeitete zudem als freier Journalist und Rezensent. Mitte der neunziger Jahre reiste er erstmals wieder in sein Heimatland. Bald darauf begann er mit der Arbeit an dem über eine Dekade hinweg anwachsenden experimentellen Hypertext-Projekt »Gólem« (1996–2005) und debütierte mit dem Prosatext »Háló« (1996; Ü: Netz).
Sein schmaler Roman »Nyolc perc« (2007; dt. »Acht Minuten«, 2011) erzählt dicht und bildhaft von einem an Demenz leidenden Ehepaar, das gemeinsam mit Gebrechen und schwindenden Erinnerungen ringt – »nichts anderes als die Geschichte ihrer ›Todesübungen‹«, so Farkas. Detailliert und schonungslos beschreibt er das körperliche und geistige Erlöschen zweier Leben, allerdings nicht, ohne auch die bewundernswerte Achtung und Würde, die sich das Paar bewahrt, eindringlich zu vermitteln. So gelingen ihm geradezu kontemplativ-meditative Szenen, die in der scheinbaren Untätigkeit und Leere die Essenz der menschlichen Kondition widerspiegeln. Mitunter klingt zudem eine Kritik am gesellschaftlichen Umgang mit Alter und Tod an. Das scheinbare Paradox, das Farkas versiert literarisch zu illustrieren weiß, ist der »Versuch, mittels der Sprache in ein Gebiet der Sprachlosigkeit einzudringen«.
2011 wurde Farkas insbesondere für seinen innovativ-lyrischen Prosastil der Sándor-Márai-Preis verliehen. Neben seiner Tätigkeit als Autor betreibt er ein Antiquariat in der Neustadt-Süd in Köln, wo er mit seiner Familie lebt.
Háló
Jelenkor
Pécs, 1996
Törlesztés
Magvetö
Budapest, 2004
Kreatúra
Magvetö
Budapest, 2009
Acht Minuten
Luchterhand Literaturverlag
München, 2011
[Ü: György Buda]
Johanna
Magvetö
Budapest, 2011