Der Lyriker Paul Muldoon wurde 1951 in Portadown, im nordirischen County Armagh, geboren und wuchs in der ländlichen Gegend von the Moy auf. Er studierte Anglistik an der Queen’s University in Belfast, wo er für die BBC arbeitete und vor allem Radiosendungen, später auch Fernsehsendungen, pr oduzierte. Bereits seit seinem frühen Gedichtband »New Weather« (1973; Ü: Neues Wetter) gilt er als Lyriker von Rang und wird immer wieder mit Nobel pr eisträger Seamus Heaney verglichen, dessen Student er war. Nach einem Aufenthalt als Writer in Residency an der Universität von Cambridge zog Muldoon 1987 in die USA, wo er seitdem lebt und an der Columbia University und in Princeton unterrichtete. 1999-2004 war er zudem Professor of Poetry an der University of Oxford. Seine dort gehaltenen Vorlesungen über Dichtkunst erschienen unter dem mehrdeutigen Titel »The End of the Poem« (2006; Ü: Das Ende/der Zweck des Gedichts). Die luziden, spielerischen und horizonterweiternden Analysen von Gedichten aus den letzten zwei Jahrhunderten können einen Eindruck von Muldoons eigener ästhetischer Produktionsweise vermitteln. In der Manier des close reading löst der Autor einzelne Fäden aus dem Textgewebe und folgt ihnen in die verschiedenen s pr achlichen, literarischen, geschichtlichen und theoretischen Kontexte, in die sie verweisen. Bedeutungsvielfalt, Klänge und Anklänge, etymologische Wurzeln und Wortspiele werden zu Mitteln, anhand derer die Macht der S pr ache jenseits ihrer Funktionalität sichtbar wird. »Wir können S pr ache als Werkzeug benutzen oder von ihr selbst benutzt werden. Das ist, glaube ich, der Unterschied. Aber auch, wenn man die S pr ache als Werkzeug benutzt, wird man von ihr – wie wohl jeder erfahren hat – doch gleichzeitig selbst benutzt.«
Zu Muldoons pr ägenden Einflüssen zählen modernistische Vorläufer wie T.S. Eliot und Robert Frost, aber auch die »metaphysischen Dichter«, insbesondere John Donne. Deren Stilmittel greift Muldoon mit ebensolcher brillanten Leichtigkeit auf, wie er sich traditioneller Gedichtformen wie z.B. des Sonetts bedient. Immer wieder veröffentlichte er Langgedichte, darunter auch »Madoc: A Mystery« (1990), das als sein Meisterwerk gilt. Es stellt den Plan von Samuel Taylor Coleridge und Robert Southey, die in Amerika eine utopische Gemeinde zu gründen erwogen, als tatsächliches historisches Experiment dar. Jüngst erschien der Gedichtband »Horse Latitudes« (2006; Ü: Rossbreiten) als letzter von inzwischen knapp dreißig Lyrikbänden. Muldoon veröffentlichte ebenfalls wissenschaftliche Aufsätze, Kinderbücher, Dramen, Opernlibretti, und er trat als Herausgeber von Anthologien und als Übersetzer (u.a. von Nuala Ni Dhomhnaill und Aristophanes) hervor.
Muldoon ist Fellow der Royal Society of Literature und der American Academy of Arts and Sciences. Zu seinen Auszeichnungen zählen der T.S. Eliot Prize, ein American Academy of Arts and Letters Award, der Irish Times Poetry Prize, der Pulitzer Prize, der Griffin International Prize, der American Ireland Fund Literary Award und der Shakespeare Prize. Er unterrichtet derzeit an der Universität von Princeton und lebt mit seiner Familie in New Jersey.
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