Paolo Giordano wurde 1982 in der italienischen Stadt Turin geboren und absolvierte an der dortigen Universität ein Studium der Physik. Während der Vorbereitung auf die anliegenden Prüfungen entdeckte Giordano schließlich mit 22 Jahren das Schreiben für sich als Hobby.
Zunächst verfasste er einige Kurzgeschichten, die sich thematisch zumeist mit der Kindheit auseinandersetzten. 2008 veröffentlichte er dann seinen ersten Roman, »La solitudine dei numeri primi« (2008; dt. »Die Einsamkeit der Primzahlen«, 2009), mit dem ihm auf Anhieb ein sensationeller Durchbruch als Schriftsteller gelang. Das Werk war das meistverkaufte Buch Italiens im Erscheinungsjahr. Im Kern handelt es sich um einen Coming-of-Age-Roman und eine Liebesgeschichte. Beide Protagonisten sind von einem singulären Ereignis in ihrer Kindheit geprägt, das sie zu Außenseitern macht: Alice wird mit sechs Jahren aus Angst vor ihrem kontrollsüchtigen Vater in einen Skiunfall getrieben. Davon körperlich gezeichnet, hinkt sie zeitlebens und hadert mit sich und ihrem Schicksal. Mattia hingegen verliert seine geistig behinderte Zwillingsschwester, als er sie in ihrer Hilfsbedürftigkeit nur ein einziges Mal für wenige Stunden vernachlässigt. Um seine Schuldgefühle zu kompensieren, flüchtet er sich in die Welt der Zahlen und Formeln. Beide Figuren werden durch diese tragischen Erlebnisse in ihrer Kindheit zu Eigenbrötlern; ihre Einsamkeit bietet ihnen gleichsam Schutz vor der Gesellschaft und sich selbst. Als Jugendliche auf dem Gymnasium lernen sie einander kennen und fühlen sich zueinander hingezogen – doch wie zwei Zwillingsprimzahlen (zum Beispiel 11 und 13) stehen sie zwar nahe beieinander, aber es gibt immer etwas Trennendes zwischen ihnen. In poetisch-klarer Sprache, die nüchtern daherkommt und doch zugleich mitreißend wirkt, findet Giordano immer wieder eindrückliche Bilder dafür, wie die Dramen unserer Kindheit in uns fortwirken. Vorbilder des Autors sind Schriftsteller wie David Foster Wallace und Ian McEwan, der – nach Giordanos eigener Aussage – mit seinem Werk über Kindheit, Verlust und Quantenphysik, »The Child in Time« (1987; dt. »Ein Kind zur Zeit«, 1988), bei der Auseinandersetzung des Autors mit dem Thema Kindheit Pate stand. Für seinen Debütroman wurde Giordano u. a. mit dem Premio Strega ausgezeichnet, dem renommiertesten Literaturpreis Italiens. Zuletzt entstanden die Bücher »Il corpo umano« (2012; dt. »Der menschliche Körper«, 2013), in dem er schildert, wie sich junge Soldaten nach einem Einsatz in Afghanistan in der ihnen fremd gewordenen Heimat zurechtzufinden versuchen, und »Il nero e l’argento« (2014; dt. »Schwarz und Silber«, 2015) über das Verhältnis eines Paars, bei dem nach der Farbenlehre des griechischen Gelehrten Galenos das Schwarz der Melancholie auf das Silberne der Fröhlichkeit trifft.
Giordano arbeitet an einer Promotion über Teilchenphysik und lebt in Turin.