Ouyang Jianghe
- China
- Zu Gast beim ilb: 2002, 2008
Ouyang Jianghe , unter den modernen Lyrikern Chinas eine bedeutende Größe, wurde 1956 in Luzhou in der Provinz Sichuan geboren. Im Rahmen der zu dieser Zeit üblichen »Landverschickungen« arbeitete er nach Abschluss der Schulbildung einige Jahre als Teepflanzer. Von 1979 an absolvierte er einen vierjährigen Armeedienst. Seine ersten Gedichte und Essays über Literatur, Musik und Ästhetik schrieb Ouyang Jianghe bereits 1977, im Alter von 21 Jahren. Während seiner Studienzeit war er Mitbegründer der »Vereinigung Junger Dichter von Sichuan«, einer nicht-offiziellen Organisation, die sich fern vom Kanon der chinesischen Staatsliteratur und der Zensur als eigene Strömung definierte.
Ouyang gehört der »Dritten Generation« in der chinesischen Literatur des 20. Jahrhunderts oder den sogenannten »Fünf Meistern aus Sichuan« an. Sie setzen sich bewusst von der »Hermetischen« oder »Obskuren Schule« eines Bei Dao, Shu Ting, Gu Cheng oder Yang Lian ab. Die dritte Generation, die Ende der achtziger Jahre auftrat, fühlt sich weniger politischen, als rein literarischen Anliegen verpflichtet. Die Nähe zu politischen Systemen gilt ihnen als suspekt. Vielmehr tritt Ouyang für eine »intellektuelle Lyrik« ein, die statt auf Inspiration, Eingebung oder spontane Erhellung auf Reflexion und den Ausdruck gereifter Erkenntnis setzt. Anders als bei den Texten der »Hermetischen Schule« geht den Gedichten Ouyangs jedes Pathos ab, und sie beschäftigen sich überwiegend mit Themen des Alltags, dem Unscheinbaren und Privaten. Den modernen Idealen sowie den großen, metaphysischen Erzählungen steht der Autor skeptisch gegenüber. Allgemeinbegriffe wie Geschichte, Kultur, Volk oder Nation werden dekonstruiert. Im Vordergrund steht stattdessen die Suche nach Konkreta. In einem ruhigen syntaktischen Fluss sind in seinen Gedichten präzise Bilder gesetzt, die sich zu einer Gesamtheit mit allegorischem Charakter zusammenfügen: »Die Fabrik liegt in der Nähe des Meeres. // Wer das Wasser kennt, kennt das Glas. // Starr, kalt, zerbrechlich // diesen Preis zahlt, was durchsichtig ist«.
Ouyang veröffentlichte in China u.a. die Gedichtbände »Was geht, was bleibt« und »Glas, das durch Worte dringt«. In Deutschland sind seine Gedichte in den Anthologien »Die Glasfabrik« (1993), »Dem Dichter des Lebens« (1997) und »Chinesische Akrobatik – Harte Stühle« (1995) vertreten. Von 1993 bis 1997 hielt sich Ouyang in den USA auf, 1997 war er Gast der Künstler-Akademie »Schloss Solitude« bei Stuttgart. In chinesischen Literaturzeitschriften hat Ouyang mehr als einhundertfünfzig Gedichte und dreißig Essays veröffentlicht. Seine Gedichte wurden in die meisten europäischen Sprachen übersetzt und u.a. im »Times Literary Supplement« publiziert. Er lebt in Peking.
© internationales literaturfestival berlin
Die Glasfabrik
Konkursbuch
Tübingen, 1993
[Ü: Susanne Göße]
Chinesische Akrobatik – Harte Stühle
Konkursbuch
Tübingen, 1995
[Ü: Susanne Göße]
Dem Dichter des Lebens
[Hg. Hansgerd Delbrück]
Attempto
Tübingen, 1997
Handschellen aus Papier
In: Orientierungen, 1/2000
Bonn, 2000
[Ü: Wolfgang Kubin]
Übersetzung: Gao Hong, Wolfgang Kubin, Susanne Göße