23. ilb 06. – 16.09.2023
Portrait Ostap Slyvynsky
© Hartwig Klappert

Ostap Slyvynsky

Ostap Slyvynsky wurde 1978 in Lemberg in der Westukraine geboren. Er ist als Dichter, Übersetzer, Kritiker und Literaturwissenschaftler tätig. Er studierte am Institut für Slawistik an der Universität von Lemberg, wo er 2007 mit einer Arbeit zum Phänomen der Stille in der Literatur promovierte. Dafür untersuchte er u. a. exemplarische Prosatexte bulgarischer Autoren der sechziger bis neunziger Jahre.

Bisher veröffentlichte Slyvynsky vier Gedichtbände: »Schertvoprinoschennja velykoi ryby« (1998; Ü: Das Opfer des großen Fisches), »Poludneva linija« (2004; Ü: Mittagslinie), »Mjatsch u pitmi« (2008; Ü: Ball in der Dunkelheit) und zuletzt »Ruchomy ogien’« (2009; Ü: Lauffeuer). Letzterer wurde ins Polnische übertragen. »Lauffeuer, so könnte ein Interkontinentalexpress heißen oder eine internationale Spionageoperation, aber hier, am Rand des erschlossenen Europa, kommt das Wort wie ein Slogan zurück, glänzt auf den feuchten, elektrisierten Gleisen, schlägt im dunklen Bahnwärterhäuschen zweimal hoch. Ist dort jemand aufgewacht?« – so tönt Slyvynskys teils rastlos anmutende Lyrik, die unermüdlich Assoziation und Bilder evoziert und unterdessen Reflexionen über Sprache, Geschichte und Politik einstreut. »Die Poesie ist für mich eine sehr persönliche Angelegenheit, in dem Sinne, dass sie direkt an den Einzelnen gerichtet ist. Es ist so ähnlich, wie wenn ich einen Brief an jemand schreiben würde«, so Slyvynsky in einem Interview. Rhythmus und Phonetik kommt in seinen Gedichten ein besonders hoher Stellenwert zu, die bisweilen eine musikalische Qualität erlangen. Dabei möchte er die Lyrik als einen lebendigen Organismus begreifen, der hinsichtlich der Bedeutung, die er zu kreieren vermag, unberechenbar ist. Zu seinen Vorbildern zählt er u. a. Ted Hughes, William Carlos Williams, Czesław Miłosz, Ingeborg Bachmann, Kenneth Koch und Oleg Lysheha. Seine Gedichte wurden in elf Sprachen übersetzt und in Literaturzeitschriften und Anthologien abgedruckt.

Für das internationale Projekt »Letters to Miłosz« verfasste er 2011 den Essay »Ljudina u miszi vignannja« (Ü: Menschen am Ort der Vertreibung). Er ist Mitherausgeber der polnisch-deutsch-ukrainischen Literaturzeitschrift »Radar« sowie einer Anthologie zeitgenössischer ukrainischer und belarussischer Literatur. Zudem schreibt für diverse Magazine, ist Dozent an der Universität Lemberg und wirkt an interdisziplinären Kunstprojekten mit. 2006 und 2007 organisierte er außerdem das Internationale Literaturfestival in Lemberg. Für sein dichterisches Schaffen wurde er mehrfach prämiert: Er gewann 1997 den Bohdan-Ihor-Antonych-Literaturpreis, 2000 den Smoloskyp-Preis und wurde 2009 mit dem Hubert-Burda-Preis für junge Lyrik ausgezeichnet. 2007 war er Gaststipendiat des Literarischen Colloquiums Berlin und 2011 Writer in Residence im quartier21/MQ in Wien. Slyvynsky lebt in Lemberg.

© internationales literaturfestival berlin

Bibliographie

Schertvoprinoschennja velikoj ribi
Lemberg, 1998

Poludneva linija
Chmelnyzkyj, 2004

Mjatsch u pitmi
Kiew, 2008

Ruchomy ogien’
Breslau, 2009

Adam
Czernowitz, 2012