23. ilb 06. – 16.09.2023
Portrait Oskar Pastior
© Hartwig Klappert

Oskar Pastior

Oskar Pastior wurde 1927 im siebenbürgischen Hermannstadt (Sibiu) in Rumänien geboren. Kurz vor Kriegsende wurde er als Angehöriger der deutschen Minderheit in sowjetische Arbeitslager deportiert. Erst nach fünf Jahren Zwangsarbeit konnte er in seine Heimat zurückkehren. Ab 1955 studierte er Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Bukarest, nebenher veröffentlichte er seine ersten Gedichte. Nach dem Studium arbeitete er als Redakteur für deutschsprachige Inland-Sendungen beim Rumänischen Rundfunk. 1964 erschien sein erster Gedichtband »Offne Worte«. Obwohl er in Rumänien für seine Dichtung ausgezeichnet wurde, fühlte er sich von der »Fertigbauteil- und Ideologiesprache mit verordneten historischen Gesetzmäßigkeiten« eingeengt. So nutzte er 1968 einen Studienaufenthalt in Wien, um in den Westen überzusiedeln. Seither lebte Pastior als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. »Vom Sichersten ins Tausendste« (1969) war der erste seiner zahlreichen Gedichtbände, der in Deutschland veröffentlicht wurde. In der lautpoetischen Wunderwelt von Pastiors Lyrik wird die vertraute Sprache fremd, und der Sinn erhebt sich in eine andere Dimension. Der Reiz dieser surrealen Sprachrealität liegt im spielerischen Umgang mit den Regeln. »Falschsinn, Nebensinn, Unsinn, Witz und Vielfalt wörtlicher Bedeutungen sind ihm von jeher wahr und wirklich erschienen«, wie Christoph Meckel einmal über Pastior bemerkte. Es verwundert nicht, dass der Sprachkünstler Pastior der Gruppe OuLiPo (»Ouvroir de Littérature Potentielle«/»Werkstatt für potentielle Literatur«) angehörte, die sich seit 1960 mit reanimierten wie mit neu erfundenen Literaturtechniken beschäftigt. Oskar Pastior war ein Meister der lyrischen Formen. Mal schrieb er »Gedichtgedichte« (1973), mal kreierte er »sonetburger« (1983). Er stöberte im »Höricht« (1975) und forschte nach den Möglichkeiten des Anagramms (»Anagrammgedichte«, 1985). Er spielte mit dem Palindrom in »Kopfnuß Januskopf« (1990), erfand die Vokalise (»Vokalisen und Gimpelstifte«, 1992) und ergründete »Das Hören des Genitivs« (1997). 2002 schuf er mit »o du roher iasmin« 43 Variationen von Charles Baudelaires Gedicht »Harmonie du soir«. Zuletzt erschien mit »Minze Minze flaumiran Schpektrum« (2004) der dritte Band seiner Werkausgabe. Der Schriftsteller wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, darunter mit dem Aachener Walter-Hasenclever-Preis und mit dem Wiener Erich-Fried-Preis. Er starb am 4. Oktober 2006, kurz vor der Verleihung des Georg-Büchner-Preises für sein »Œuvre von größter Radikalität und Formenvielfalt«.

© internationales literaturfestival berlin

Bibliographie

Lesungen mit Tinnitus
Hanser
München, 1986

Kopfnuß Januskopf
Hanser
München, 1990

Vokalisen & Gimpelstifte
Hanser
München, 1992

Das Unding an sich
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 1994

Villanella & Pantum
Hanser
München, 2000

Das Hören des Genitivs
Hanser
München, 2000

O du roher iasmin
Urs Engeler Editor
Basel, Weil am Rhein, 2002

Jalousien aufgemacht
Hanser
München, 2002

Jetzt kann man schreiben was man will
Hanser
München, 2003

Mein Chlebnikov
Urs Engeler Editor
Basel, Weil am Rhein, 2003

Minze Minze flaumiran Schpektrum
Hanser
München, 2004