Oscar van den Boogaard
- Belgien, Niederlande
- Zu Gast beim ilb: 2003
Oscar van den Boogaard wurde 1964 in Harderwijk, Niederlande, geboren. Er wuchs in der ehemaligen holländischen Kolonie Surinam und in den Niederlanden auf. Nach dem Französisch- und Jurastudium in Montpellier, Amsterdam und Brüssel begann er eine Laufbahn als Anwalt in einer internationalen Kanzlei in Brüssel. An seinem 25. Geburtstag gab er überraschend das Anwaltsdasein auf – und wurde Schriftsteller. Ein bezeichnender Entschluss für van den Boogaard, für den nichts mehr zählt, als „das Leben zu leben“, damit am Ende „die Buchhaltung des Lebens links die Wirklichkeit, rechts die Phantasie“ ausgeglichen ist. Als Gründer der Mot & van den Boogaard Galerie für zeitgenössische Kunst Brüssel trat er auch in Kontakt zur internationalen Kunstwelt.
Seit 1990 sein Debütroman „Dentz“ erschien, gehört Oscar van den Boogaard zu den wichtigsten jungen Autoren der Niederlande. Van den Boogaard schreibt so kraftvoll wie mitfühlend dagegen an, dass Menschen aufgrund nicht durchschauter Zwänge ihre eigensten Lebensinteressen vernachlässigen. Das Leiden am Alltag, in dem kein Raum ist für das Ausleben von Gefühlen und Sehnsüchten, ist zentral für die Hauptfigur seines Romans „De heerlijkheid van Julia“ (dt. „Julias Herrlichkeit“, 1997), für den er mit dem niederländischen Libris-Literatuurprijs und der belgischen Auszeichnung De gouden Uil gleich zwei renommierte Preise erhielt. Um komplizierte Familienverhältnisse, Ausbruchsphantasien und Entfremdung geht es auch in seinem Roman „Liefdesdood“ (dt. „Liebestod“, 2001), der ebenfalls mit De gouden Uil ausgezeichnet wurde. „Liebestod“ ist von einer reduzierten, fast nüchternen Sprache geprägt, die sich lyrisch und gefühlvoll zugleich gibt. Der Kritiker Hans Warren nannte es „ein Buch, das fortwährend eine andere Farbe annimmt“.
In jüngerer Zeit zeigt sich Oscar van den Boogaard fasziniert von der Frage nach Beziehung und Identität, genauer: von der Rolle eines Gegenübers als Spiegel. „Wir brauchen jemanden, um selbst jemand zu sein. Aber wie kann ich sein, wenn der andere nicht die Fähigkeiten, die Erfahrung, das Vokabular, hat, um mich zu erkennen.“ Im Dialog mit dem Tg Stan, Antwerpen, dem Ro-Theater Rotterdam und der Toneelgroep Amsterdam verfasste Oscar van den Boogaard einige Theaterstücke, darunter „Lucia smelt“ (dt. „Lucia schmilzt“, 2003), das vom Staatstheater Hannover erstmalig in deutscher Sprache aufgeführt wurde.
Nach Stationen in Rio de Janeiro, Los Angeles, Wien und Paris – meist im Rahmen von Stipendien, Theaterinszenierungen oder Literaturfestivals – war Oscar van den Boogard 2003 DAAD-Stipendiat in Berlin. Er lebt in Brüssel.
© internationales literaturfestival berlin
Denz
Polak & Van Gennep
Amsterdam, 1990
Fremdkörper
Athenäum
Amsterdam, 1991
Het oceanisch verlangen
Querido
Amsterdam, 1993
Julias Herrlichkeit
Fischer
Frankfurt/Main, 1997
Übersetzung: Ira Wilhelm
Sensaties
Querido
Amsterdam, 2000
Liebestod
Fischer
Frankfurt/Main, 2001
Übersetzung: Ira Wilhelm
Een bed vol schuim
De Arbeiderspers
Amsterdam, 2002
Inspiration Point
Prom
Amsterdam, 2004
Het verticale strand
De Bezige Bij
Amsterdam, 2005
Übersetzer : Ina Rilke, Ira Wilhelm