Ngũgĩ wa Thiong’o
Der kenianische Schriftsteller und Kulturwissenschaftler Ngũgĩ wa Thiong’o wurde 1938 als Sohn einer traditionellen Kikuyu-Bauernfamilie in Kamiriithu, Limuru, geboren. 1952 brach der antikoloniale Unabhängigkeitsaufstand gegen die Kolonialmacht Großbritannien (Mau-Mau-Krieg) aus. Von 1959 bis 1964 studierte Ngũgĩ wa Thiong’o an der Makerere-Universität in Uganda, das zu dieser Zeit ebenfalls unabhängig wurde, sowie an der University of Leeds in Großbritannien. Anschließend war er als Dozent für Englisch und Literaturwissenschaften an verschiedenen Universitäten tätig.
1964 erschien sein erster Roman »Weep Not, Child« (dt. »Abschied von der Nacht«, 1969), der ihn weltweit bekannt machte. Es folgte der Roman »The River Between« (1965; dt. »Der Fluss dazwischen«, 1970), die Geschichte zweier Liebender, die symbolisch durch einen Fluss getrennt sind, weil sie nach christlichen bzw. traditionellen afrikanischen Prinzipien leben. In »Petals of Blood« (1977; dt. »Land der flammenden Blüten«, 1980, bzw. »Verbrannte Blüten«, 1982) steht die Aufklärung von drei Morden an Nutznießern der neokolonialistischen Strukturen im Mittelpunkt der Handlung. Als Gegner des Kolonialismus sparte Ngũgĩ wa Thiong’o in Prosa und kulturkritischen Essays nie mit Kritik an der britischen Kolonialpolitik und der nachkolonialen Herrschaft von Daniel arap Moi. Nach der Veröffentlichung seines Theaterstücks »Ngaahika Ndeenda« (Ü: Ich heirate dich, wann ich will) wurde er 1977 gefoltert, ohne Prozess in Nairobi gefangen gehalten und seine Werke wurden verboten. Anfang der achtziger Jahre erhielt er in Großbritannien politisches Asyl. Während seiner Gefangenschaft hatte er »Devil on the Cross« (1980; dt. »Der gekreuzigte Teufel«, 1988) auf Toilettenpapier in seiner Muttersprache Kikuyu geschrieben. Im folgenden Roman »Matigari« (1986; dt. 1991), den er ebenfalls auf Kikuyu verfasste, muss ein Patriot am Ende des Unabhängigkeitskampfes feststellen, dass die kriegerisch herbeigeführten Veränderungen marginal sind, die Söhne der Weißen immer noch das Sagen in seinem Land haben und er das Kriegsbeil erneut ausgraben muss. Nach dem Regierungswechsel zur »Regenbogenkoalition« unter Präsident Mwai Kibaki kehrte Ngũgĩ wa Thiong’o 2004 erstmalig in seine Heimat zurück, reiste aber nach einem Überfall auf ihn und seine Frau sofort in die USA zurück. Nach zwanzigjähriger Pause erschien »Murogi wa Kagogo. Wizard of the Crow« (2006; dt. »Herr der Krähen«, 2011), eine Satire über afrikanische Despoten und den Westen in einer globalisierten Welt. Sie spielt in einer imaginären afrikanischen Republik, die autoritär von einem sogenannten Herrscher regiert wird, der versucht, die Menschen seines Staates zu kontrollieren. 2010 erschien »Dreams in a Time of War« (dt. »Träume in Zeiten des Krieges«, 2010), der erste Band seiner auf vier Bücher angelegten Autobiografie.
Für sein Gesamtwerk wurde Ngũgĩ wa Thiong’o 2009 für den Man Booker International Prize nominiert. Er lebt in Irvine, Kalifornien.
Abschied von der Nacht
Volk und Welt
Berlin, 1969
[Ü: Klaus Schultz]
Verbrannte Blüten
Hammer
Wuppertal, 1982/2011
[Ü: Susanne Koehler]
Matigari
Hammer
Wuppertal, 1991
[Ü: Susanne Koehler]
Herr der Krähen
A1 Verlag
München, 2011
[Ü: Thomas Brückner]
Träume in Zeiten des Krieges
Eine Kindheit
A1 Verlag
München, 2010
[Ü: Thomas Brückner]