23. ilb 06. – 16.09.2023

Navid Kermani

Portrait Navid Kermani
© Hartwig Klappert

Navid Kermani wurde 1967 als vierter Sohn iranischer Eltern in Siegen geboren. Er studierte Orientalistik, Theaterwissenschaft und Philosophie in Köln, Kairo und Bonn.

Als seine Aufgabe als Autor bezeichnete Kermani selbst in einem Interview »die Kritik, genau gesagt die Selbstkritik«, bezogen sowohl auf die europäische als auch auf die islamische Kultur. Diese Kritik übte er seit der Studienzeit in vielen Reisereportagen, vor allem aber in Büchern wie »Dynamit des Geistes. Martyrium, Islam und Nihilismus« (2002) oder seinem Roman »Kurzmitteilung« (2007) über den Zustand der Wohlstandsgesellschaft. Zwischen 2006 und 2011 schrieb Kermani tägliche Gedanken und Erinnerungen zu privaten und historischen Ereignissen für den 1200 Seiten umfassenden Roman »Dein Name« nieder– und das in aller Konsequenz als eine Dokumentation, wie der Erzähler sich mit dieser Mischung aus Tagebuch und Erzählung aus einer Lebenskrise förmlich herausschrieb, dass er nach eigener Aussage am liebsten noch die Tippfehler beibehalten hätte. Auch in seinen Frankfurter Poetik-Vorlesungen, welche das Entstehen seines Romans »Dein Name« begleiteten und die 2012 unter dem Titel »Über den Zufall« veröffentlicht wurden, reflektierte Kermani über die Vielfalt der Identitäten, die er als Autor im öffentlichen Ausstellen seiner Selbstzweifel mit sich aushandelte, da er immer mehr sei: »Sohn, Vater, Mann, Liebhaber, Freund, Berichterstatter, Orientalist«. Als Berichterstatter aus einer »beunruhigten Welt« brachte er 2013 in dem Buch »Ausnahmezustand« die Eindrücke zu Papier, die er bei Reisen durch zehn Krisenregionen, darunter Indien, Afghanistan, Syrien und Palästina, sammelte. Passend zu der von ihm formulierten Aufgabe als Autor lobten Rezensionen nicht nur Kermanis präzise, aber einfühlsame Schilderungen der Zustände vor Ort, sondern auch seine oft selbstkritische Perspektive. 2014 erschien sein Sachbuch »Zwischen Koran und Kafka«, in dem Kermani kulturelle Verbindungen der Literatur von Orient und Okzident aufzeigte. Im selben Jahr hielt der Autor im Bundestag eine viel beachtete Festrede zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes, die zur »Rede des Jahres« gekürt wurde. Die thematische Vielfalt, mit der er als Vermittler zwischen Kulturen agiert, offenbart sich nicht nur in Veröffentlichungen wie seinem ersten literarischen Text »Das Buch der von Neil Young Getöteten« (2002) und einem Kinderbuch mit dem Titel »Ayda, Bär und Hase« (2006), sondern auch in seinem zuletzt erschienenen Roman »Große Liebe« (2014), in dem der Autor das überschäumende Gefühl der ersten Liebe mit Zeilen der islamischen Mystiker Ibn Arabi und Baha-e Walad zu fassen versucht.

Kermani erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter zuletzt den Hannah-Arendt-Preis (2011), den Kleist-Preis (2012) und 2014 den Joseph-Breitbach-Preis für »Dein Name«. Er lebt in Köln.