Natalka Sniadanko
- Deutschland, Ukraine
- Zu Gast beim ilb: 2008
Natalka Sniadanko wurde 1973 im ukrainischen Lemberg geboren. Sie studierte an der dortigen Universität Ukrainistik und ging anschließend nach Freiburg im Breisgau, wo sie Slawistik und Romanistik studierte. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie als Redakteurin bei der Lemberger Tageszeitung »Postup«. Seit 2002 ist sie Journalistin für die »Lvivska Gazeta«. Zwei Jahre später erschien ihr erster Roman, »Kolekcija pristrastej« (2004; dt. »Sammlung der Leidenschaften«, 2007), der insbesondere von der jüngeren Generation mit Begeisterung aufgenommen wurde und inzwischen auch auf Deutsch, Polnisch und Russisch vorliegt.
Die Geschichte mit autobiografischen Zügen erzählt in frischem Tonfall und satirischem Duktus von den Herzensregungen der jungen Ukrainerin Oljessa. Neugierig und eigensinnig erforscht die Heranwachsende die Möglichkeiten, die sich in ihrem Leben nach und nach auftun. Gegen den Rat ihrer Eltern studiert sie Philologie und gelangt schließlich als Au-Pair nach Deutschland. Vor dem Hintergrund ihrer ersten unglücklichen Liebe und den sich ansammelnden Erfahrungen aus den Beziehungen mit einem Ukrainer, einem (Halb-)Russen, einem Italiener und einem Deutschen entfalten sich zudem liebevolle Porträts osteuropäischer Bürgerlichkeit in der postsowjetischen Zeit und skurriler Eigenheiten verschiedener Nationen. Klischees über Mann und Frau sowie Ost und West werden lustvoll bestätigt, untergraben, übertrieben oder mit Ironie und Selbstironie gegeneinander ausgespielt. »Das hält keine Frau aus«, erfährt Oljessa von der Ex-Gattin ihres italienischen Vermieters. »Er hätte eine Italienerin heiraten sollen. Die deutschen Frauen finden sich in dieser patriarchalischen Welt einfach nicht zurecht. Vielleicht gelingt es dir ja, mit ihm eine gemeinsame Sprache zu finden. Bei euch in der Ukraine schlagen die Männer doch sicher auch ihre Frauen, und die erdulden das still, oder?«
Auch in der Reportage »Deutschlandreise« begibt sich Sniadanko in der deutschen Provinz auf die Suche nach regionalen Absonderlichkeiten, Gemeinsamkeiten und Unterschieden und macht immer wieder auf einen europäischen Kontext aufmerksam, der über die östlichen Grenzen der EU hinausreicht. Daneben veröffentlichte die Autorin Artikel in der »Süddeutschen Zeitung« und in der »Gazeta Wyborcza«. Sie übersetzte Zbigniew Herbert, Czesław Miłosz, Jaroslaw Iwaszkiewicz, Janusz Wiszniewski, Olga Tokarczuk, Franz Kafka, Max Goldt, Friedrich Dürrenmatt, Monika Maron, Günter Grass, Stefan Zweig und Feridun Zaimoglu ins Ukrainische. Nach mehreren Kurzgeschichten erschien 2006 ihr Roman »Syndrom sterylnosti« (Ü: Syndrom der Sterilität) und 2007 die Nouvelle »Czebrec u moloci« (Ü: Thymian in der Milch). 2007 war Sniadanko Stipendiatin der Akademie der Künste in Berlin. Sie lebt in Lemberg.
© internationales literaturfestival berlin
Syndrom sterylnosti
Nora -Druk
Kiev, 2006
Czebrec u moloci
Folio
Kharkiv, 2007
Sammlung der Leidenschaften
dtv
München, 2007
[Ü: Anja Lutter]
Übersetzerin: Anja Lutter