Michel Kichka
- Belgien, Israel
- Zu Gast beim ilb: 2015
Michel Kichka wurde 1954 in Lüttich, Belgien, geboren. Während eines Architekturstudiums schuf er seinen ersten Comic für das »Curiosity Magazine«. 1974 zog er nach Israel und studierte Graphikdesign an der Bezalel-Akademie der Schönen Künste, wo er später auch lehrte und Comic-Künstler wie Rutu Modan und Uri Fink ausbildete. Seither arbeitete er als Cartoonist und Illustrator in den Sprachen Französisch und Hebräisch für verschiedene Medien, darunter die Zeitschriften »Le Monde« und »Courrier International« sowie den Sender TV5. Seit 1995 ist er als politischer Karikaturist, der sich hauptsächlich mit den Entwicklungen im Nahen Osten auseinandersetzt, für das israelische Fernsehen tätig, wie u.a. ab 2014 für den Kanal I24news.
Kichkas bekanntestes Werk ist die Graphic Novel »Deuxième Génération, ce que je n’ai pas dit à mon père« (2012; dt. »Zweite Generation. Was ich meinem Vater nie gesagt habe«, 2014). In einem Interview gab der Künstler zu, dass es Jahre gedauert habe, bis er es wagte, einen Comic über den Holocaust zu erschaffen, in seinem Fall wahrscheinlich verstärkt durch die Tatsache, dass dieses Werk auch seine Beziehung zu seinem Vater Henri Kichka berührt, der damals die Inhaftierung in einem Konzentrationslager überlebte. So beginnt das Buch mit einem Bild des Autors als kleiner Junge, der das Tattoo auf dem Arm seines Vaters betrachtet und sich wundert, wie diese Nummer nicht nur unter die Haut, sondern sogar unter die Haare gekommen ist. Darüber schreibt Kichka den gewichtigen Satz, dass sein Vater fast nie über seine Familie gesprochen habe. Auf den folgenden Seiten gibt Kichka weitere Einblicke in eine Kindheit zwischen der erfolglosen Suche nach seinem Vater auf den erschreckenden Bildern der ausgemergelten Häftlinge am Tag der Befreiung von Buchenwald und Albträumen von Eisenbahnschienen und einem Krematorium, das die Asche seiner Familie verstreut, indem sie diese dem Wind überlässt. Das Grauen hat aber auch in angenehmeren Kindheitserinnerungen seinen Platz. So erzählt Kichka, wie er die Liebe zum Zeichnen von seinem Vater übernahm, auf dessen Schoß er in einem Bild sitzt, während er eine Karikatur von Hitler anfertigt. Der »Tagesspiegel« fand in einer Besprechung hierfür den Begriff der »geerbten Geschichte« und lobte, dass Kichka auf bestürzende, kritische, aber auch heitere Art und Weise manches Tabu im Umgang mit der Shoah breche. Mit mancher direkten Referenz erweise der Autor auch Comic-Künstler Art Spiegelman, der sich ebenfalls mit diesem Thema auseinandersetzte, seine Reverenz, beweise aber zugleich stets seine grafische und narrative Eigenständigkeit.
Kichka lebt in Jerusalem, wo er 2005 ein Treffen internationaler Illustratoren organisierte. 2006 wurde der Präsident der Israel Cartoonist Guild Mitglied der Bewegung Cartooning for Peace und 2011 zum Chevalier des Arts et des Lettres ernannt. 2008 erhielt er den Dosh Cartoon Award.
Zweite Generation
Was ich meinem Vater nie gesagt habe
Egmont Comic Collection
Köln, 2014
[Ü: Ulrich Pröfrock]
http://fr.kichka.com