Mazen Kerbaj
Der Improvisationsmusiker, Musikproduzent und Comiczeichner Mazen Kerbaj wurde 1975 in Beirut geboren, wo er während des libanesischen Bürgerkriegs aufwuchs und ein frankolibanesisches Gymnasium besuchte. In den neunziger Jahren, als das kulturelle Leben in Beirut wiedererweckt wurde, spielte er Free Jazz in den dortigen Clubs. Er gründete ein eigenes Plattenlabel und tourte mit Musikern wie Sharif Sehnaoui, Mats Gustafsson, Guillermo Gregorio, Fred Lonberg-Holm, Martin Küchen, Axel Dörner, John Butcher, Martin Blume, Franz Hautzinger u. a. durch Europa, den Nahen Osten und die USA. Als Plattenproduzent und Veranstalter förderte Kerbaj zudem die Improvisationsszene im Libanon, u. a. gründete er 2004 das jährliche Irtijal Festival sowie das Al Maslakh Ensemble mit, außerdem entstanden das erste Improvisationslabel Al Maslakh und das Label Johnny Kafta’s Kids Menu für experimentelle Rockmusik aus dem Libanon.
1991 begann Kerbaj Comics zu zeichnen, die er zunächst in seinem Blog und in verschiedenen libanesischen Zeitschriften veröffentlichte, darunter im »L’Orient-Express« von Samir Kassir. In seinen Graphic Novels erzählt er vor allem vom Leben in dem durch den Krieg zerrütteten Nahen Osten. So veröffentlichte er im März 2000 sein Tagebuch in Comicform »Journal 1999«. Es folgten acht weitere Bücher und Kurzgeschichtensammlungen. Stilistisch erinnern seine Zeichnungen, die oft durch bissige Kommentare ergänzt werden, in der zeichnerischen Deformation menschlicher Gesichter an den frühen Kubismus. 2017 erschien erstmals eine seiner Graphic Novels auf Englisch: »Beirut Won’t Cry«, Kerbajs visuelles Tagebuch aus der Zeit der israelischen Luftangriffe auf den Libanon im Sommer 2006, das ursprünglich online und 2007 als Buch unter dem Titel »Beyrouth, juillet–août 2006« veröffentlicht worden war. In den kontrastreichen Schwarz-Weiß-Zeichnungen sticht vor allem die große Verzweiflung hervor, durchbrochen von kurzen Atempausen in der Zeit, die er mit seinem Sohn und seiner Exfrau in den Bergen jenseits von Beirut verbringt. »Kerbajs Zeichnungen evozieren die Geräuschkulisse des belagerten Beirut. Die emotionalen, teils satirischen Zeichnungen nehmen die Ängste, Hoffnungen, die Trunkenheit, Wut, Verspieltheit, Erschöpfung und Überreiztheit des Autors auf und verwandeln sie in menschliche und menschenähnliche Figuren« (»bookwitty«).
2015 war Kerbaj Artist-in-Residence des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Seine Bilder, Zeichnungen und Karikaturen wurden vielfach ausgestellt, u. a. in der Galerie Janine Rubeiz in Beirut, der Galerie der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin und in Ulm dank der temporären Ausstellungsinitiative »Café Beirut«. Kerbaj lebt in Berlin.
Beyrouth, juillet–août 2006
L’Association
Paris, 2006
Cette histoire se passe
Tamyras
Beirut/Paris, 2011
Lettre à la mère
Apocalypse
Paris, 2013
Un an – Journal d’une année comme les autres
Tamyras
Beirut/Paris, 2014
Beirut Won’t Cry
Fantagraphics Books
Seattle, 2017