Mathias Énard
- Frankreich, Spanien
- Zu Gast beim ilb: 2009, 2013, 2016, 2019
Mathias Énard, 1972 im französischen Niort geboren, begann eine akademische Ausbildung in zeitgenössischer Kunst und studierte dann Arabisch und Persisch, ab 1992 in Teheran, Ägypten, Venedig und Damaskus. Danach verbrachte er zwei Jahre als Französischlehrer in einem syrischen Dorf. Bis 2010 unterrichtete Énard Arabisch an der Universitat de Barcelona.
Sein erster Roman »La perfection du tir« (Ü: Die Perfektion des Schießens) erschien 2003 und erzählt die Geschichte eines Scharfschützen in einer vom Bürgerkrieg heimgesuchten Stadt. 2005 folgte »Remonter l’Orénoque« (Ü: Am Orinoko). In »Bréviaire des artificiers« (2007; Ü: Das Stundengebet des Sprengmeisters) setzte sich der Autor in Form eines burlesken Essays mit Terrorismus auseinander. Ein Jahr später veröffentlichte der Verlag Actes Sud im Rahmen der »rentrée littéraire« (Ü: Literarische Saison) Énards Roman »Zone« (dt. 2010), der von den Kritikern einhellig positiv aufgenommen wurde. Die Hauptfigur Francis Servain Mirković erinnert sich bei einer Zugfahrt von Mailand nach Rom an alle Schattenakteure, Agitatoren, Terroristen, Geldgeber oder Mittelsmänner, Waffenhändler und Kriegsverbrecher auf der Flucht, denen er während seiner 15 Jahre als Agent in seiner Zone − zunächst Algerien und dann schrittweise der gesamte Nahe Osten − begegnet ist. Die französische Kulturzeitschrift »Télérama« schrieb in einer Rezension: »Abgesehen von ein paar Kommata keine Interpunktion: Ein einziger Satz durchzieht den Roman, endlos, von Wut getragen, von mörderischem Wahnsinn und von ungeahntem Verlangen nach Auferstehung besessen«. 2010 ging Énard in seinem Werk »Parle-leur de batailles, de rois et d’éléphants« (dt. »Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten«, 2011) der Frage nach, was geschehen wäre, wenn Michelangelo im frühen 16. Jahrhundert tatsächlich dem Auftrag des osmanischen Sultans gefolgt wäre, im damaligen Konstantinopel eine Brücke zwischen dem asiatischen und dem europäischen Teil der Stadt zu entwerfen – ein Stoff, der auch heute noch, 500 Jahre später, von hoher Aktualität ist: die Trennung zwischen orientalischer und okzidentaler Welt. Zuletzt erschienen die Romane »Rue des voleurs« (2012; dt. »Straße der Diebe«, 2013), in dem Énard ein bedrückend überzeugendes Panoramabild der arabischen Revolutionen sowie der europäischen Wirtschaftskrise und ihrer Auswirkungen entwirft, und »Boussole« (2015; dt. »Kompass«, 2016), in dem er sich erneut mit dem (historischen) Verhältnis der westlichen Welt zum Nahen Osten auseinandersetzt. 2015 brachte ihm dieses Buch den bedeutendsten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt, ein.
Auch für seine anderen Werke wurde der Autor mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, wie etwa dem Prix du Livre Inter 2009 für »Zone«. Énard ist zudem der erste französische Preisträger des deutsch-französischen Literaturpreises Candide (2008). Er lebt in Barcelona.
La perfection du tir
Actes Sud
Arles, 2003
Zone
Berlin Verlag
Berlin, 2010
[Ü: Holger Fock/Sabine Müller]
Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten
Berlin Verlag
Berlin, 2011
[Ü: Holger Fock/Sabine Müller]
Straße der Diebe
Hanser Berlin
Berlin, 2013
[Ü: Holger Fock/Sabine Müller]
Kompass
Hanser Berlin
Berlin, 2016
[Ü: Holger Fock/Sabine Müller]