Martin Walser wurde 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren. Er studierte Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Regensburg und in Tübingen, wo er 1951 mit einer Arbeit über Franz Kafka promovierte. 1949 bis 1957 arbeitete Walser beim Süddeutschen Rundfunk als Reporter, Regisseur und Hörspielautor. Seit 1953 gehörte er der Gruppe 47 an, deren Preis er 1955 für eine seiner ersten Erzählungen, »Templones Ende«, erhielt. Für seinen ersten Roman »Ehen in Philippsburg« (1957) erhielt er den Hermann-Hesse-Preis. Seine Arbeit umfasst neben Prosawerken auch Theaterstücke, Drehbücher, Hörspiele und Übersetzungen sowie eine Vielzahl von Aufsätzen, Reden und Vorlesungen. 1978 veröffentlichte der Autor mit dem Band »Ein fliehendes Pferd« einen Klassiker deutscher Nachkriegsliteratur. Walser schildert hier die Geschichte des Studienrates Halm, eines typisch Walserschen Antihelden, der seinen Urlaub mit seiner Frau in einem Winkel am Bodensee verbringt, weil er glaubt, nur in einem Zustand größtmöglicher Lethargie ausharren zu können. Walser bezeichnet sich selbst als »literarischen Experten für Identitätsbeschädigung«. Seine meist aus dem Kleinbürgertum stammenden Protagonisten – von Identitätsproblemen, Minderwertigkeitsgefühlen und Abhängigkeitsverhältnissen geplagte Figuren – werden mit inneren Monologen charakterisiert, ihre Schwächen mittels Ironie so präzise wie komisch dargestellt. Mit Vorliebe führt er seine Protagonisten durch mehrere Romane, so etwa die Figur des Anselm Kristlein in der Trilogie »Halbzeit« (1960), »Das Einhorn« (1966) und »Der Sturz« (1973). 2004 erschien »Der Augenblick der Liebe«, der dritte Roman um den Protagonisten Gottlieb Zürn nach »Das Schwanenhaus« (1980) und »Die Jagd« (1988). Im selben Jahr veröffentlichte Walser auch die Essaysammlung »Die Verwaltung des Nichts« (2004).
Nach Erscheinen des Romans »Ein springender Brunnen« (1998), in dem der Autor seiner Jugend in Wasserburg während des Dritten Reiches nachspürt, erhielt Walser den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. »Der Autor der deutschen Einheit«, so die Preisbegründung, habe »den Deutschen das eigene Land und der Welt Deutschland erklärt und wieder nahegebracht«. Auf seine Dankesrede, in der er »die Instrumentalisierung von Auschwitz« als »Moralkeule« kritisierte, reagierten einige Stimmen mit dem Vorwurf, er propagiere den Schlussstrich unter die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands. Die daraus resultierende »Walser-Bubis-Debatte«, wie auch die späteren Reaktionen auf den 2002 erschienen Roman »Tod eines Kritikers«, markieren in ihrer Heftigkeit die intellektuellen und moralischen Beliebigkeiten und Unschärfen in der Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit. Seine Tagebücher aus den Jahren 1951 bis 1962 erschienen unter dem Titel »Leben und Schreiben« (2005). Zuletzt veröffentlichte er die Lyriksammlung „Das geschundene Tier: Neununddreißig Balladen“ (2007).
Walser, der neben seiner literarischen Tätigkeit auch immer wieder kontrovers zu aktuellen politischen Themen Stellung bezogen hat, zählt zu den bedeutendsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur und hat für sein literarisches Werk zahlreiche Preise erhalten, darunter 1981 den Georg-Büchner-Preis. Er wurde mit dem Orden »Pour le Mérite« ausgezeichnet und zum Officier de L’Ordre des Arts et des Lettres ernannt. Walser lebt in Überlingen am Bodensee.
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