Marieke Lucas Rijneveld
- Niederlande
- Zu Gast beim ilb: 2019
Marieke Rijneveld wurde 1991 in Nieuwendijk geboren und wuchs in einer Bauernfamilie in Nordbrabant auf. Als Kind erfand sie einen Fantasiefreund namens Lucas und wollte selbst ein Junge sein. Wegen ihrer Knabenhaftigkeit wurde sie später in der Schule gemobbt, dennoch übernahm sie mit 19 Jahren Lucas als zweiten Vornamen: »Ich fühle mich sowohl als Junge als auch als Mädchen, ein Zwischenmensch.« Rijneveld studierte Niederländisch an der Pädagogischen Hochschule in Utrecht und an der Schrijversvakschool in Amsterdam.
2015 gab sie ihr Debüt mit der Gedichtsammlung »Kalfsvlies« (Ü: Kalbshaut), die mit dem C. Buddinghʼ-Prijs für das beste Lyrikdebüt ausgezeichnet wurde und seitdem in mehreren Auflagen erschien. »De avond is ongemak« (2018; dt. »Was man sät«, 2019) ist Rijnevelds erster Roman. Erzählt wird die erschütternde Geschichte über den Verlust eines Kindes in einer christlichen Bauernfamilie. Aus der Perspektive von Jas, die sich auf dem schwankenden Terrain zwischen Kindheit und Erwachsensein bewegt, wird geschildert, wie unterschiedlich die einzelnen Familienmitglieder mit dem tragischen Verlust umgehen. Jas hat zu Gott gebetet, er möge ihren Bruder zu sich nehmen anstelle des Kaninchens, von dem sie glaubte, es solle zu Weihnachten geschlachtet werden. Am selben Tag ist ihr Bruder beim Schlittschuhlaufen ins Eis eingebrochen und ertrunken. In der Familie wird das Unglück als Strafe Gottes gesehen, die Eltern sind vor Trauer gelähmt und bemerken nicht, wie Jas, ihre Schwester Hanna und ihr Bruder Obbe ihnen langsam entgleiten. »Was Rijnevelds Roman voll bizarrer Fantasien, der an Lize Spit und Gerbrand Bakker erinnert, so besonders macht, sind seine Intensität und seine Poesie« (»Leeuwarder Courant«). 2019 erschien ihr zweiter Lyrikband »Fantoommerrie«, gewissermaßen eine poetische Fortsetzung ihres Debüts. Formal wechseln sich zweizeilige Verse mit größeren Blöcken von Prosagedichten ab. Rijneveld bedient sich einer Vielzahl von Stilelementen, was den Texten zu großer Dynamik verhilft. Thematisch stehen wiederum Autobiografisches und die Sezierung einer traumatischen Vergangenheit im Vordergrund – empfindet das jugendliche Ich das aufkeimende sexuelle Verlangen als schmerzlich, wird die Umgebung von schweigenden Erwachsenen dominiert, deren Strenge so abweisend wirkt, dass das Ich vor allem Einsamkeit und Isolation fühlt und allein bleibt mit dem Unwohlsein im eigenen Körper und allen unbeantworteten Fragen.
Rijnevelds Gedichte und Erzählungen erscheinen auch in Literaturzeitschriften, darunter »Hollands Maandblad«, »VPRO Gids« und »Het liegend konijn«. 2018 war sie Jurymitglied beim Filmfestival Film by the Sea in Vlissingen. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit arbeitet Rijneveld auf einem Bauernhof. Sie lebt in Utrecht.
Kalfsvlies
Atlas Contact
Amsterdam, 2015
Was man sät
Suhrkamp
Berlin, 2019
[Ü: Helga van Beuningen]
Fantoommerrie
Atlas Contact
Amsterdam, 2019
mariekerijneveldschrijfster.wordpress.com