Marica Bodrožić
- Deutschland, Kroatien
- Zu Gast beim ilb: 2011
Marica Bodrožić wurde 1973 in Svib, einem Dorf in Dalmatien, geboren. Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr wuchs sie in Dalmatien bei ihrem Großvater auf, folgte dann ihren Eltern nach Deutschland und begann die deutsche Sprache zu lernen. Diese Erfahrung charakterisierte sie in ihrem autobiografischen Text »Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern« (2007) als einschneidendes Erlebnis: »Es tat mir gut, der Wirklichkeit ein Bein zu stellen, und ich war glücklich, unbekannte Wörter zu hören und den Luftsaum zwischen den Buchstaben mit meiner eigenen Zunge zu ergründen.« In Frankfurt am Main studierte Marica Bodrožić Kulturanthropologie, Psychoanalyse und Slawistik.
2002 erschien ihr erster Erzählungsband »Tito ist tot«. Detailgenau, mit suggestiver Bildkraft und Ausdrucksstärke schildert sie ihre Erinnerungen an Dalmatien aus einer kindlichen Perspektive. In vielen ihrer frühen Texte widmete sie sich dieser Landschaft – Mittelmeer, Karst, Unwetter und der Einfluss der Landschaft auf das Leben der Menschen. Mit dem Grenzgänger-Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung unternahm Bodrožić 2004 eine Recherchereise nach Kroatien und durchstreifte sowohl die Stadtarchive als auch die Inselwelt. Dabei entstand ihr zweiter Erzählungsband »Der Windsammler« (2007): Landschaftsporträts und Seelenbilder im Wechsel der Jahreszeiten. Die Figuren befinden sich im Schwebezustand zwischen Warten und Träumen, Diktatur und Krieg kommen nur am Rande in mystifizierter Form vor. Weitaus konkreter wird ihr Erzählen im Roman »Das Gedächtnis der Libellen« (2010). Eine junge Frau verliebt sich in einen verheirateten Mann, kostet diese Liebe exzessiv aus, bis sie schließlich Abschied nehmen muss von der Illusion einer gemeinsamen Zukunft. In einer monologisch niedergeschriebenen Selbstwerdung kommen auch die beiden anderen Themen dieses als Beginn einer Trilogie angelegten Romans zum Tragen: die Familiengeschichte der Erzählerin, in der die große Lücke der libellenmordende und nach Amerika geflohene Vater darstellt, und die Freundschaft zu Arjeta, die die Belagerung von Sarajevo überlebt hat. Ihrem Roman »Kirschholz und alte Gefühle« (2012) und der Erzählung »Mein weißer Frieden« (2014), die beide auf unterschiedliche Art und Weise die Erfahrung des Exils und Erinnerungsbilder verarbeiten, folgte 2015 mit »Das Auge hinter dem Auge. Betrachtungen« eine Sammlung von Poetikvorlesungen. In Essays und Features behandelte Bodrožić, die auch als Übersetzerin aus dem Kroatischen und Englischen arbeitet, zudem das Thema Zweisprachigkeit.
Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt sie 2007 den Literaturpreis der Akademie der Künste Berlin, 2013 den Literaturpreis der Europäischen Union sowie 2015 den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Bodrožić lebt in Berlin.
www.marica-bodrozic.de