Manil Suri
Manil Suri wurde 1959 in Bombay geboren. Sein Vater arbeitete als Musikassistent beim Film, seine Mutter war ein Jahr lang als persönliche Assistentin Indira Ghandis tätig, bevor diese Ministerpräsidentin wurde. Suri begann an der Universität seiner Heimatstadt ein Studium der Mathematik, das er 1983 an der Carnegie Mellon University mit einer Promotion abschloss. Anschließend wurde er Dozent an der University of Maryland, wo er seit 1994 ordentlicher Professor ist. Er forscht auf dem Feld der angewandten Mathematik mit dem Schwerpunkt Finite-Elemente-Rechnung und ist Redaktionsmitglied bei »SINUM«, einer Fachzeitschrift für numerische Mathematik.
Kurz nach seiner Promotion begann Suri, erste Kurzgeschichten zu schreiben. »Beides, die Mathematik ebenso wie das Schreiben, sind Versuche, ein- und dasselbe darzustellen, nämlich eine Welt, die sich dem Bemühen widersetzt, sie auf eine griffige Formel zu bringen.« Neben seiner Dozententätigkeit war er Mitglied mehrerer Schreibgruppen und nahm an verschiedenen Workshops teil, veröffentlichte jedoch für lange Zeit nur eine einzige Kurzgeschichte, die in dem bulgarischen Magazin »Orpheus« erschien.
Die Ursprungsepisode seines aufsehenerregenden Debütromans geht auf einen Besuch Suris bei seinen Eltern zurück, währenddessen ein Mann, der jahrelang auf einem Treppenabsatz des Hauses gewohnt hatte, starb. »The Death of Vishnu« (2001; dt. »Vishnus Tod«, 2001) war ursprünglich als Kurzgeschichte konzipiert. Nach mehreren Stipendiatsaufenthalten und einer eindringlichen Ermutigung von Pulitzer-Preisträger Michael Cunningham, bei dem Suri einen Schreibworkshop besucht hatte, vollendete der Autor die Geschichte nach einer Entstehungszeit von sechs Jahren als Roman. Ausgehend vom Tod jenes Mannes, der als Handlanger der Hausgemeinschaft sein Dasein fristete und dessen Seele nun langsam die einzelnen Stockwerke emporsteigt, wird ein Panorama der verschiedenen Hausbewohner entworfen: Es reicht von den beiden verfeindeten Familien, die sich eine Küche teilen müssen und sich im Notfall als Hindus gegen die moslemischen Nachbarn der nächsten Etage verbünden, über deren Familienvorstand, der sich religiösen Fragen zugewandt hat, bis hin zum zurückgezogen lebenden Witwer im Stockwerk darüber und schildert schließlich die heimlichen Zusammenkünfte der Jugendlichen des Hauses auf der Dachterrasse, die ihre Liebe nach dem Vorbild von Bollywood-Filmen inszenieren. Dieser ironisch und einfühlsam gezeichnete Mikrokosmos vermittelt gleichzeitig ein Bild der komplexen indischen Gesellschaft und kann als Metapher für die Seinsstadien des Hinduismus gelesen werden. Suri verbindet Realität und Traum, Alltag und Mythos mit erfrischender Leichtigkeit und philosophischer Tiefe.
Der Roman wurde noch vor Erscheinen der englischen Ausgabe in mehrere – inzwischen sind es 25 – Sprachen übersetzt. Er erhielt Nominierungen für den Booker Prize, den PEN/Faulkner Award, den LA Times Book Award und den WH Smith Book Award. 2001 wurde er mit dem Rolf-Heyne-Buchpreis und 2002 mit dem Barnes and Noble Discover Prize ausgezeichnet. Suri plant, ihn zu einer Trilogie zu erweitern, deren nächste Teile »The Life of Shiva« (Ü: Das Leben des Shiva) und »The Birth of Brahma« (Ü: Die Geburt Brahmas) heißen sollen. Der Autor lebt in Silver Spring, Maryland.
© internationales literaturfestival berlin
Vishnus Tod
btb
München, 2002
[Ü: Anette Grube]