Madeleine Thien
- China, Kanada, Malaysia
- Zu Gast beim ilb: 2011, 2017
Die kanadische Schriftstellerin Madeleine Thien wurde 1974 in Vancouver, British Columbia, geboren, und zwar im Jahr der Auswanderung ihrer chinesisch-malaiischen Familie nach Kanada. Thien hegte von Kindesbeinen an ein Interesse für Tanz und studierte daher zunächst Tanz an der Simon Fraser University. Ab 1994 studierte sie Englisch und Kreatives Schreiben an der University of British Columbia.
Madeleine Thien setzt sich thematisch häufig mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts von Kambodscha und China bis Kanada, mit Migration, Klassen- und Rassenzugehörigkeit auseinander, wobei sie ab und an auch auf Aspekte ihrer eigenen Familienhistorie zurückgreift. Kennzeichnend für Thiens Werke ist ihre sachliche, jedoch äußerst sensible Sprache. Kritiker sprechen ihr zudem eine bemerkenswerte Empathie, Klarheit und Eleganz im Schreibstil zu. Ihr in Kanada sehr erfolgreiches Debüt »Simple Recipes« (2001; dt. »Einfache Rezepte«, 2008) erhielt vier nationale Literaturpreise sowie eine Nominierung für den Commonwealth Writers’ Prize. Die Sammlung von Kurzgeschichten, die von verschiedenen Aspekten des Familienlebens handeln, wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Anschließend veröffentlichte Thien gemeinsam mit dem Animationszeichner Joe Chang das Kinderbuch »The Chinese Violin« (2002, Ü: Die chinesische Violine). Darin erzählt sie auf einfühlsame Weise die Geschichte der jungen Chinesin Lin Lin, die gemeinsam mit ihrem Vater nach Kanada auswandert. Thiens erster Roman »Certainty« (2006; dt. »Jene Suche nach Gewissheit«, 2007) handelt von den parallel verlaufenden Geschichten zweier Charaktere, die sich mit dem schmerzlichen Verlust ihrer großen Liebe, der unvermeidlichen Verarbeitung ihrer Vergangenheit sowie ihrer Angst vor der Zukunft auseinandersetzen müssen. Als Ausgangspunkt diente der Autorin hier nach eigenen Angaben die Ermordung ihres Großvaters nach Ende der japanischen Besetzung von Britisch-Nordborneo. Der Roman »Dogs at the Perimeter« (2011; dt. »Flüchtige Seelen«, 2014), ausgezeichnet mit dem LiBeraturpreis, befasst sich mit der Spurensuche einer kanadischen Forscherin, deren Familie unter der Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha auseinandergerissen wurde und die nach ihrem verschwundenen Freund und Mentor fahndet, dabei allmählich auch ihr eigenes Überleben rekonstruiert und über die Liebe und die Schuld reflektiert, die ihr gegenwärtiges Leben bestimmen. Thiens jüngster Roman »Do Not Say We Have Nothing« (2016; dt: »Sag nicht, wir hätten gar nichts«, 2017) rekonstruiert die Zeit vor, während und nach dem Tian’anmen-Massaker mithilfe der Geschichte von drei chinesischen Musikern, die sich für westliche klassische Musik begeistern. Das Buch wurde mit dem Governor General’s Award for Fiction und dem Scotiabank Giller Prize ausgezeichnet und schaffte es auf die Shortlist des Man Booker Prize.
Madeleine Thien lebt in Montreal, Kanada.
© internationales literaturfestival berlin
The Chinese Violin
[Ill. Joe Chang]
Whitecap Books
Vancouver, 2002
Jene Sehnsucht nach Gewissheit
Luchterhand
München, 2007
[Ü: Almuth Carstens]
Einfache Rezepte
Luchterhand
München, 2008
[Ü: Almuth Carstens]
Flüchtige Seelen
Luchterhand
München, 2014
[Ü: Almuth Carstens]
Sag nicht, wir hätten gar nichts
Luchterhand
München, 2017
[Ü: Anette Grube]