Lyonel Trouillot
- Haiti
- Zu Gast beim ilb: 2014
Lyonel Trouillot wurde 1956 in Port-au-Prince auf Haiti geboren, wo er auch heute lebt. Obwohl er in einer an Belletristik interessierten Familie aufwuchs (sein Vater war Literaturprofessor), absolvierte Trouillot zunächst ein Jurastudium, bevor er sich, wie auch seine Schwestern Evelyne und Jocelyne Trouillot, der Schriftstellerei widmete.
Er begann damit, Gedichte zu schreiben, deren Inhalte (seine Liebe für das Leben und Haiti) sich über die Jahre weniger änderten als ihre Form und der Stil, da sich Trouillot nach eigener Aussage durch ausgeprägten Lesehunger poetisch weiterbildete. Die Feststellung in einem seiner Gedichte, dass er nicht wisse, wie viele Stimmen durch seine Lyrik sprächen, sowie seine Bemerkung, dass man in Haiti nicht erst nach etwas suchen müsse, über das es sich zu schreiben lohne, zeigt dabei nicht nur sein Bewusstsein für die sozialen Probleme seines Landes auf, sondern auch das Interesse, diese literarisch zu verarbeiten und sie in seinen Werken gesellschaftskritisch anzuprangern. In seinem ersten Roman »Rue des Pas-Perdus« (1998; dt. »Die Straße der verlorenen Schritte«, 2013) erzählt Trouillot von Ereignissen in der Nacht des 30. September 1991, als nach dem Ende der Diktatur des Duvalier-Clans die Hoffnung auf demokratische Verhältnisse vom Militär gewaltsam erstickt wurde. Während er die Rolle der in der politischen Unterdrückung oft auch aus Eigennutz verstummten oder in ihren alten Ideologien verhafteten Intellektuellen kritisch beleuchtet, stammen die Hauptfiguren des Romans aus dem armen, einfachen Volk, das am meisten unter der Verflechtung von Macht und Geld zu leiden hatte. »Lyonel Trouillot bildet mit seiner wie im Schwindel rotierenden Erzählweise literarisch äußerst raffiniert und extrem verdichtet die Traumatisierung von Menschen durch Terror und Chaos ab« (»Süddeutsche Zeitung«). Auch in seinem Buch »Bicentenaire« (2004; dt. »Jahrestag«, 2012) nutzt der Autor ein historisches Datum, den 200. Unabhängigkeitstag Haitis, als Ausgangspunkt, um anhand verschiedener Figuren »das Bild eines zutiefst zerrissenen, in Armut, Korruption und Gewalt versunkenen Landes« (Litradukt) zu zeichnen.
Als Professor für Kreolische und Französische Literatur fördert Trouillot den literarischen Nachwuchs. Er gibt nicht nur die Literaturzeitschrift »Demembre« heraus, die Texte junger Autoren veröffentlicht, sondern bietet diesen in der Literaturwerkstatt »Ateliers du jeudi soir« außerdem die Möglichkeit, Rat von erfahrenen Schriftstellern einzuholen. Neben seinem literarischen Werk verfasste Trouillot u. a. Liedtexte und 2014 das Drehbuch für den Film »Murder in Pacot« (Ü: Mord in Pacot), der sich mit den Folgen des Erdbebens von 2010 auseinandersetzt. Sein jüngster Roman »La belle amour humaine« (2011; dt. »Die schöne Menschenliebe«, 2014) wurde 2012 mit dem Preis der Genfer Buchmesse ausgezeichnet.
Therese en mille morceaux
Actes Sud
Arles, 2000
L’amour avant que j’oublie
Actes Sud
Arles, 2007
Jahrestag
Litradukt
Trier, 2012
[Ü: Peter Trier]
Die Straße der verlorenen Schritte
Liebeskind
München, 2013
[Ü: Barbara Heber-Schärer u. Claudia Steinitz]
Die schöne Menschenliebe
Liebeskind
München, 2014
[Ü: Barbara Heber-Schärer u. Claudia Steinitz]